Radelnde Weihnachtsboten

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Weihnachtswünsche via Postkarte klingen heute antiquiert. Die bebilderten Grüße rund um Lichterbaum, Weihnachtsmann und Christkind sind heute digitalisiert und kommen auf elektronischem Wege. Aber es gibt sie noch, und manche lieben sie. Auch und gerade mit Fahrrad statt Rentierschlitten.

Als Erfinder oder zumindest Wegbereiter der Correspondenzkarte gilt Emanuel Herrmann, Professor für Nationalökonomie an der Technischen Hochschule in Wien. Die Wiener Tageszeitung "Neue Freie Presse" veröffentlichte am 26. Jänner 1869 seinen Vorschlag, am 1. Oktober 1869 erschienen die ersten Correspondenzkarten in Österreich-Ungarn. In den 1870er-Jahren wurden sie nach und nach in den meisten europäischen Ländern, den USA und einigen südamerikanischen Ländern eingeführt. 


Grußkarten als Selfie-Vorfahren

Vor 1885 gab es nur vereinzelt bebilderte Karten, in den folgenden zehn Jahren verbreiteten sich Ansichtskarten über den ganzen Globus. Was heute das Selfie mit dem Smartphone ist, mit dem die eigene Anwesenheit vor einer Sehenswürdigkeit quasi in Echtzeit dokumentiert wird, waren damals die schnellen "Gruß aus..."-Karten, adressiert an die Daheimgebliebenen, an die Verwandtschaft sowie Geschäfts- oder HerzensfreundInnen. Sie trafen den Nerv einer Zeit, in der es erstmals für größere Bevölkerungsschichten möglich war, fremde Orte und Länder kennenzulernen.

Erst später wurden "illustrierte Postkarten" (Glückwunschkarten mit Tieren und Pflanzen, Scherz- und Propagandakarten etc.) beliebt. Diese sind meistens auf der Bildseite (der eigentlichen Rückseite, Anm.) beschrieben. Das hat den Grund, dass ursprünglich die Vorderseite der Adresse vorbehalten war und diese erst 1904/1905 geteilt wurde, um für Mitteilungen Platz zu schaffen.

Der deutschsprachige Raum war bei der drucktechnischen Herstellung dem Rest der Welt voraus. Hier erlebten die Ansichtskarten ab 1895 bis 1918 ihren Boom, parallel dazu entstanden Sammlervereine und -zeitschriften. Um 1900 wurden allein in Deutschland etwa 750 Millionen Karten pro Jahr hergestellt.

Ab den 1920er-Jahren kamen immer mehr Fotokarten auf den Markt. Die Sammelleidenschaft ließ nach, erst ab den 1970er-Jahren erwachte das Interesse wieder, sei es aus historischen und heimatgeschichtlichen Gründen oder dem Interesse an einem Motiv (Glückwunsch, Sport, Werbung, Tiere usw.). Seit den 1980er-Jahren entstand ein größerer Markt über Flohmärkte, Tauschbörsen und Auktionen, dann via Internet mit Ebay und Online-Shops.

Die Preise für Ansichtskarten sind von mehreren Faktoren abhängig (Motiv, Alter, Seltenheit, Erhaltung) und reichen von weniger als einem Euro für moderne Fotoansichtskarten über 5 bis 50 Euro und mehr für seltene bzw. ältere Karten. Einzelstücke erzielen bei Versteigerungen auch weit höhere Preise, bei Künstlerkarten der Wiener Werkstätte und des Bauhaus kann das bis zu mehreren Tausend Euro gehen. 

Hochblüte um 1900

Die unglaubliche Vielzahl und der Variantenreichtum von Gruß- und Künstlerkarten mit Fahrradmotiven erklärt sich aus der zeitgleichen Hochblüte ungefähr zwischen 1895 und dem Ersten Weltkrieg, eine Parallelität, wie sie auch in der Plakatkunst zu beobachten ist.

Das Motivrepertoire, in dem Radfahren und Fahrrad eine Rolle spielen, ist freilich nicht auf Jahres- oder Anlassbrauchtum begrenzt. Von fast jeder touristischen oder thematischen Darstellung, die sich auf Bildpostkarten wiederfindet, gibt es auch eine velozipedale Variante. So nimmt es nicht Wunder, dass eine kleine, aber eingeschworene Collector´s Community selbst die kleinste "Special Interest"-Nische hegt und pflegt und letztlich auch dafür sorgt, dass die für den Postversand gedachten Lithografien, Fotos und Zeichnungen auch heute noch eine bestimmte Wertschätzung genießen, gesammelt werden und damit der Nachwelt erhalten bleiben.


(Text und Sammelobjekte: Walter BRADLER/ Wolfgang WEHAP) 

 

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