Alarmierende Studie zur Dooring-Gefahr

Viele Alltagsradfahrende kennen das drohende Gefühl, es könne plötzlich und widerrechtlich eine Autotür genau vor ihnen geöffnet werden. Zu viele kennen auch den Schmerz, wenn dieses "Dooring" tatsächlich passiert. Das von der Radlobby begleitete Wiener "Abstandsurteil 2016" hat zwar auf den zulässigen Seitenabstand der Radfahrer zu parkenden KfZ aufmerksam gemacht, dennoch zeigt diese Studie aus 2017, dass die Gefahr des "Doorings" ebenso hoch ist wie der fehlende Überholabstand von Autofahrenden zu RadlerInnen.

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Das Planungsbüro Rosinak & Partner führte im Auftrag des Kuratoriums für Verkehrssicherheit (KFV) eine umfangreiche Studie über das Radfahren entlang von parkenden Fahrzeugen und den damit verbundenen Risiken durch. Die Ergebnisse sind alarmierend, es herrscht hohes Gefährdungspotenzial für Radfahrerende.

Im Durchschnitt bewegen sich drei Viertel aller beobachteten RadfahrerInnen innerhalb des Türöffnungsbereiches eines Kfz, der ca. 75 cm breiten „Dooring-Zone“. Somit laufen sie Gefahr, von plötzlich aufgehenden Autotüren erfasst zu werden. Darüber hinaus halten Kfz-LenkerInnen bei 80 % der Überholvorgänge den erforderlichen Sicherheitsabstand zu RadfahrerInnen nicht ein. Drei Viertel der befragten RadfahrerInnen waren schon in einen Unfall oder eine kritische Situation mit aufgehenden Autotüren verwickelt. Manche dieser Unfälle endeten sogar tödlich

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(Schmale) Mehrzweckstreifen gefährden RadfahrerInnen

Die Videoanalysen zeigen, dass sich RadfahrerInnen sehr stark an Längsmarkierungen (Leitlinie etc.) orientieren, Piktogramme beeinflussen ebenfalls die Fahrlinienwahl. Längsmarkierungen bewirken eine Zonierung der Fahrbahn, Radfahrerende fahren dadurch in der Mitte „ihres Fahrstreifens“, wo sie durch unachtsam geöffnete Autotüren gefährdet sind. Gleichzeitig wird Kfz-Lenkenden ausreichend Platz für ein scheinbar sicheres Überholen signalisiert, was zu Überholmanövern mit deutlich zu geringem Sicherheitsabstand führt. Bei der Mindestbreite von Mehrzweckstreifen gemäß der Richtlinien und Vorschriften für das Straßenwesen (RVS) von 1,50 m bewegt sich der Radfahrende unweigerlich in der Türzone. Die Regelbreite von Mehrzweckstreifen laut RVS (1,75 m) ermöglicht RadfahrerInnen gerade noch das Fahren außerhalb der Dooring Zone. 

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Mehrzweckstreifen

Dilemma für die Radverkehrsplanung

Die Befragungen machen ein Dilemma für die Radverkehrsplanung sichtbar: RadfahrerInnen fühlen sich mit markierten Radverkehrsanlagen sicherer als ohne Markierungen, werden aber durch schmale Mehrzweckstreifen in Richtung geparkter Fahrzeuge gedrängt. Außerdem suggeriert die Längsmarkierung von Mehrzweckstreifen den AutofahrerInnen, dass sie „einen eigenen Fahrstreifen“ und damit genug Platz zum Überholen hätten. Damit lässt sich der Widerspruch erklären, warum 80 % der Autofahrerenden den Sicherheitsabstand beim Überholen nicht einhalten, während die Mehrzahl bei der Befragung angibt, Radfahrerende nur dann zu überholen, wenn ausreichend Platz vorhanden ist.

Nötige Fahrbahnbreiten für Einhaltung der Sicherheitsabstände

Die Einhaltung aller notwendigen Sicherheitsabstände beim Überholen erfordert große Fahrbahnbreiten. Die theoretischen Überlegungen in der Grafik zeigen, dass für eine Einbahnstraße mit beidseitigem Längsparkstreifen eine Fahrbahnbreite von zumindest 5,80 m erforderlich wäre. Derartig breite Einbahnen wären jedoch praxisfern. Bei üblichen Querschnitten in Einbahnen ist sicheres Überholen nicht möglich und sollte bestmöglich unterbunden werden.

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Mindestbreite von Einbahnen für sicheres Überholen

Nächste Schritte

Es gilt, verstärkt Maßnahmen zur Bewusstseinsbildung und Verkehrsaufklärung zu setzen:

  • Das Bewusstsein für die Gefährdung von RadfahrerInnen beim Öffnen der Fahrzeugtüre bei Kfz-LenkerInnen und RadfahrerInnen erhöhen
  • Das Öffnen der Fahrzeugtüre fahrerseitig immer mit der rechten Hand propagieren („The Dutch Way“)
  • Bewusstseinsbildung zur Einhaltung eines ausreichenden Sicherheitsabstandes beim Überholen von RadfahrerInnen
  • Prüfen, ob 1,75 m statt 1,50 m Mindestbreite bei Mehrzweckstreifen machbar ist.
  • Bodenmarkierungen (Fahrradpiktogramme samt Pfeilmarkierung, z. B. Sharrows) haben einen wesentlichen Einfluss auf die Wahl der Fahrlinie. RadfahrerInnen orientieren sich anhand der Piktogramme. Piktogramme sollten daher so markiert werden, dass diese RadfahrerInnen nicht in den gefährlichen Türöffnungsbereich eines Kfz, der sogenannten „Dooring-Zone“, leiten
  • Klare Einsatzkriterien und Standards für Sharrow-Bodenmarkierungen entwickeln.
  • Nach Möglichkeit Schutzstreifen/Abstandszonen zu parkenden Fahrzeugen markieren

Quelle: www.radkompetenz.at