"Zinze" für kurz autobefreit

"Menschen statt Autos" - athletische Radler durften passieren

Es war quasi die Abschlussarbeit einer Lehrveranstaltung in Systemwissenschaften: Die Studierenden mussten statt einer theoretischen Abhandlung oder Prüfung eine reale Intervention für eine autofreie Zinzendorfgasse auf die Straße bringen.

Unter dem Motto "Menschen statt Autos" wurde am 03.06.2016 um die Mittagszeit die Zinzendorfgasse für etwa zwei Stunden für den Kfz-Verkehr gesperrt. Gemäß dem Lehrveransaltungstitel "Copenhagenize Graz - Die Straßen sind zum Leben da" sollte in diesem Zeitfenster aufgezeigt werden, was mit der Reduktion des Autoverkehrs auf dieser Achse zwischen Glacis und Uni-Campus an neuer Lebensqualität möglich wäre: "Gehzeuge" demonstrierten, wieviel Platzbedarf pro Auto erforderlich ist, per Megafon wurden während des Hin- und Hermarschierens die Botschaften kundgetan, zwei Bands auf Lastenrädern sorgten für den Sound, im Bereich der Begegnungszone Sonnenfelsplatz wurde zur eienr "Sprechstunde auf Liegestühlen" eingeladen.

Lehrbeauftragter Karl Reiter von der Forschungsgesellschaft Mobilität FGM: "Es wird auch nächstes Jahr wird es wieder die Lehrveranstaltung geben. Es ist natürlich noch nicht klar, welche Straße sich dann die Studierenden aussuchen - aber im Grunde soll weiterhin gelehrt werden, wie man sich außerhalb des Lehrsaals für einen lebenswerteren Öffentlichen Raum eintreten kann. Eine praxisnahe Ausbildung also."

Wie im Rahmen der Lehrveranstaltung eruiert wurde, sind schon jetzt FußgängerInnen und RadlerInnen in der Mehrheit - nicht aber, was die zugeordneten Flächen betrifft. Eine Umverteilung bis hin zur Sperre für den Durchzugsverkehr sei daher die logische Konsequenz, hieß dasher die Hauptforderung. Seitens der passierenden und in den Schanigärten sitzenden Studiosi wurde das begrüßt, zum Teil auch von den Anrainern - einigen ging es aber zu weit, vor allem Gewerbetreibenden, die vor einem Monat mit ihrer Veranstaltung "Zinzengrinsen" ohne die Nutzung der Fahrbahn zufrieden gaben.

Vor 35 Jahren: Erste Einbahnöffnung
Die Zinzendorfgasse ist traditionell ein gutes Pflaster für Interventionen zugunsten von "sanfter Mobilität": Dereinst startete von hier die "Rote Elektritsche" nach Mariatrost (Anschluss an die am Glacis verkehrende Tingline No. 2), 1981 wagte der von Pioniergeist beseelte Vizebürgermeister Erich Edegger (ÖVP) die Öffnung der Einbahn für RadlerInnen - damals ein kühnes Experiment, das noch nicht durch die StVO gedeckt war.

Immer war die Zinzendorfgasse im Verbund mit den Plätzen und Gassen rund um den Uni-Campus Hotspot, was Pläne zur Verkehrsberuhigung anbelangte. Tatsächlich wurde unter Vizebürgermeisterin Lisa Rücker der Sonnenfelsplatz zum "Shared Space", der folgerichtige näcshte Schritt, die anschließende Zinzendorfgasse und/oder die Schubertstraße und Halbärthgasse zu Fahrradstraßen zu machen, scheiterte bis jetzt an der unglücklichen Formulierung der StVO-Novelle 2013, die "Fahrradstraßen" allerdings unter fast nicht einlösbaren Rahmenbedingungen ermöglicht, und an der Ablehnung aller Projekte seiner Grünen Vorgängerin durch den aktuellen blauen Verkehrsstadtrat Mario Eustaccio. Dabei stammt die Idee der Fahrradstraße Zinzendorfgasse gar nicht von Lisa Rücker, sondern schon vom Vorgänger im amt Gerhard Rüsch (ÖVP): Er hatte vor allem über den Städtebund die Schaffung dieser speziellen Bevorzugungsvariante durch eine dahingehenden Änderung in StVO betrieben. 

(WW/ARGUS)

 

 

Bericht "Kleine Zeitung", Graz, 03.06.2016