Erfahrungsbericht: E-Mountainbiken im Schnee

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„Ja, ne, da sind Sie schon richtig, aber wollen Sie da jetzt wirklich hoch fahren?“ - Ich weiß nicht, was mich mehr verwirrt: Dass der einzige Einheimische, den ich hier am Katschberg zwischen Kärnten und Salzburg nach dem Weg fragen kann, mit deutschem Akzent spricht, oder dass ich mit meinem E-Mountainbike Ende September im Schnee versinke. 

Klimaberg 

Der Katschberg will sich als Best-Practice Modell für klimafreundlichen Tourismus positionieren und bis 2030 nicht nur klimaneutral sondern sogar CO2-negativ werden. CO2-Negativität schafft man, indem man der Atmosphäre CO2 entzieht. Die Region Katschberg möchte das mithilfe ihrer sogenannten Klimaerde schaffen, die CO2 speichert und behält, das sonst – etwa durch Freisetzung beim klassischen Verbrennen - in die Atmosphäre gelangen würde.  Vereinfacht gesagt ist Klimaerde Erde, in die Holzkohle eingestreut wird. Die wiederum entsteht, indem man Holz sozusagen röstet, anstatt es zu verbrennen: So können Wasser und Gase zur Wärme  und Energiegewinnung genutzt werden – während das CO2, das der verarbeitete Baum aus der Atmosphäre gespeichert hat, nicht wieder freigesetzt wird sondern als Holzkohle zurück bleibt. Diese kann man wieder in den Boden einarbeiten, beispielweise in landwirtschaftliche Kreisläufe einarbeiten – und genau das passiert am Katschberg: In Hochbeeten, auf Flachdächern, Skipisten, in Pferde- und Hühnerställen. Der Boden wird fruchtbarer und haltbarer, aber auch die CO2-Billanz wird massiv verbessert: Eine Tonne Holzkohle bindet 3,6 Tonnen CO2. Es ist ein Versuch, hinter dem mittlerweile eine Projektgesellschaft namens Greenovation GmbH steht, der fast alle Betriebe der Region beigetreten sind. 

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Radfahr-Paradies

Die Region Katschberg ist aber nicht nur ein Vorreiter dieser Technik, sie ist auch, gemeinsam mit dem Salzburger Lungau ein wahres Paradies für Radfahrende. Es gibt zahlreiche Radwege für Genuss-Fahrten im Tal, die für alle Altersgruppen geeignet sind. Ebenso sorgen anspruchsvollere Mountainbike Strecken am Berg für sportliche Herausforderung. Gut beschilderte Routen aller Schwierigkeitsgrade führen einerseits durch die Region Katschberg und andererseits durch den Salzburger Lungau.
Ich möchte diese Routen testen. Ob ich mir ein Mountainbike ausborgen kann, frage ich. Meine Gastgeberin wirft einen skeptischen Blick aus dem Fenster. Es schneit heftig, für die Nacht sind 50 cm Neuschnee angesagt. Vor zwei Tagen saß ich in Wien noch bei sommerlichen Temperaturen kurzärmlig am Rad, hier auf 1600 Metern ist indes der Winter eingekehrt. 

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Radeln statt beten

Am nächsten Morgen schiebt mir der Betreiber des lokalen Radverleihs ein E-Mountainbike unter den Hintern und zeigt mir am Plan einige Routen. „Da liegt jetzt aber überall Schnee, da wirst du vermutlich viel schieben müssen“. Ich nicke freundlich. Es ist Sonntag. Der Mann ist extra für mich hier rauf gekommen, denn bei dem Wetter will außer mir niemand Rad fahren. Ob ich eh wisse, was ich da tue, fragt er. „Wenn du Probleme hast, kann ich dir nicht helfen. Ich bin dann in der Kirche“

Das Rad ist zu meiner Erleichterung mit einem Bosch Motor ausgestattet. Mit so einem habe ich vor zwei Wochen meine ersten E-Mountainbike Erfahrungen in Osttirol gesammelt. Die Vertrautheit beruhigt mich. Zunächst folge ich einer matschigen Forststraße, auf der einige Wanderer dahin stapfen. Recht bald jedoch geht es bergauf, und jetzt bin ich allein auf weiter Flur – unter, neben und vor mir nur noch Schnee. Ich zögere trotz Beschilderung: Da kann ich doch unmöglich fahren! 

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Hochgefühl 

Aufgeben ist nicht so meine Sache. Ich trete vorsichtig in die Pedale, der Motor schiebt sanft an, unter mir knirscht der Schnee. Nach den ersten unsicheren Momenten stellt sich Hochgefühl ein. Die Reifen pflügen sich solide durch den weichen Untergrund, das leichte Wegdriften lässt sich mit sanftem Gegenlenken gut kaschieren und wenn ich zwischendurch anhalten muss, ist das Losfahren einfacher als gedacht. 
Ich bin so euphorisiert, dass ich – im Tal angekommen – gleich den nächsten Berg in Angriff nehme.

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Es ist faszinierend, wie sich am Weg nach oben Vegetation und Klima verändern, ich genieße dieses Naturspektakel, den Ausblick und die gute Luft, während ich mit gleichmäßigem Tempo strample. Als ich abends im Hotel ankomme, macht sich genussvolle Erschöpfung in mir breit. Auch wenn der Motor fleißig unterstützt, geht E-Mountainbiken halt doch nicht ganz ohne Körpereinsatz. 

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Ich bin glücklich. Für mich als Stadtkind sind solche Erlebnisse besonders. Ich liebe Radfahren, Berge und Schnee – und dass es dank E-Mountainbikes für mich so einfach ist, diese drei miteinander zu verbinden, finde ich mehr als super. 


Bericht und Fotos: INES INGERLE 

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