Mit drei Kindern über Italiens höchsten Gebirgspass

Kurven ohne Ende

Mit drei kleinen Kindern über Italiens höchsten Gebirgspass, das Stilfserjoch? Eine Grazer Familie demonstrierte im Sommer 2015, dass es möglich ist.

Da hängt diese schöne Postkarte vom Stilfserjoch (2.757 m) mit dem Radfahrer schon seit zwei Jahren auf unserem Lokus. Immer wieder stellen wir uns vor, diesen Pass selbst einmal zu erradeln. Einmal ausgesprochen, erkennen wir sofort die Realität – wir haben drei kleine Kinder – die müssen natürlich mit. Ein Ding der Unmöglichkeit. Aber ganz verlässt uns dieser Traum doch nie.

Dann planen wir eine Sommerreise zu einer Hochzeit in Zentralfrankreich: Ja könnten wir nicht, auf der Heimreise, von Bormio aus ... Immer wieder: "Das schaffen wir nie!" Als wir dann erfahren, dass es den Externe Verknüpfung "Stelvio Bikeday" gibt, fassen wir den Plan, ohne ihn hinauszuposaunen, um nichts zu verschreien. Denn zu groß sind immer noch die Zweifel. Schließlich, am Heimweg von Frankreich, kommen wir nach Savoyen, Aostatal, Lago d´Orta, Bormio. Ein paar Mal begeben wir uns auf größere oder kleinere Tour- und Giroetappen, um uns vorzubereiten und an die Höhe zu gewöhnen.

Dann der 29. August 2015: Nach ein paar Tagen am Campingplatz und einer Hotelnacht in Bormio setzen wir uns auf Räder, Nachläufer und in den Kinderhänger. Alle schnell noch einmal auf den Lokus, es geht los. Unsere Devise: Ruhig bleiben, gleichmäßig kurbeln, genießen und Zeit lassen, denn: wir müssen das nicht tun! Dennoch voll motiviert, bewegen wir uns mit hunderten anderen Radlern, Skatern und Gehern die ersten Kehren hinauf und feuern uns gegenseitig an. Meist italienische Zurufe machen uns zusätzlich Mut, abgesehen davon dass wir dabei gleichzeitig dauernd überholt werden.

Nach zwei Stunden die erste Pause gleich nach dem steilsten Abschnitt dieser Passseite, unsere Töchter Rita (4), Flora (2 ½) und Fanni (10 Monate) spielen und essen in der Wiese neben der Straße und wundern sich über sooo viele Radler, während Gundi und ich versuchen, Energie zu tanken und die Beine zu lockern für den nächsten Abschnitt. Stichwort „Lokus“ und heiter weiter. Auf diesem Set von 10 Kehren, die uns hinaufführen zur ersten Labestation und zum angenehmsten Teil der Tour, ein paar relativ flache Kilometer fast bis zum Umbrailpass, gelingt es uns erstmals selbst ein paar Radfahrer zu überholen.

 

Familie bei einer Pause

Familie bei einer Pause, von © Johannes Minutillo

"Kinder, bald sind wir oben!"
Sogar die Murmeltiere neben der Straße scheinen den motorfreien Tag zu genießen und uns dabei zu beobachten, wie wir manchmal singen und uns und die Kinder unterhalten, sofern die eine oder andere nicht gerade schläft. Sie wechseln auch manchmal die Plätze zwischen Hänger, Nachläufer und Rücken, damit jede ihren Schlaf abbekommt.

Unter einer endlosen Freilaufklangkulisse kommen uns schon wieder hunderte Radler entgegen, während wir 250 Hm unter dem Pass noch eine zweite größere Pause einlegen und einige Kinderjoker ziehen. Hefte, Spielzeug und natürlich Gummibären erfreuen die Mädchen, ich nehme mir kurz Zeit, um dieses tolle bunte Treiben zu beobachten und zu fotografieren.

Lokus, und "Kinder, bald sind wir ganz oben!“ Als wir nach 5 ½ Stunden und 1700 Höhenmetern den Pass erreichen, kommen mir die Freudentränen und endlich kann ich meiner Frau recht geben: „Wir schaffen das!" Etwas abgelegen vom überfüllten Pass ziehen wir ein in die feine Tibethütte, genießen den Sonnenuntergang und stellen fest, dass nicht das Radeln an sich die größte Herausforderung war, sondern die Logistik für diesen „Kinderausflug“ und die Motivation aller Beteiligten. Ein kleiner Trick mag uns dabei geholfen haben: Jeweils am Vortag der Radtouren machten wir eine ausgedehnte Wanderung damit der kindliche Bewegungsdrang am Radtag nicht allzu groß war.

Nachdem wieder Ruhe einkehrt am „Cima Coppi“, die Kinder im Bett sind und dann auch noch der Vollmond genau hinterm Ortler aufgeht, ist endlich Zeit zum Entspannen. Wir freuen uns auf die 48 Kehren hinunter ins Vinschgau, die wir am nächsten Vormittag vor uns haben. Diesen Hochgenuss kosten wir in vollen Zügen aus, bevor wir uns ins Auto setzen und auf der Heimreise nach Graz noch im Radio von 12.700 Gleichgesinnten hören, die mit uns am Vortag den Stelvio erradelt haben. Wow – was für ein Fest!

Johannes MINUTILLO

 

 

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- Nicht öffentliche Gruppe -