Suchen Sie noch Weihnachtsgeschenke für Ihre Lieben?
Letzter Fahrradmechaniker denkt nicht ans Aufhören
Werner Kunster (76) ist der letzte gelernte Fahrradmechaniker in Graz. Obwohl schon viele Jahre in Pension, repariert er in seiner Hinterhof-Werkstatt im Zentrum noch immer Fahrräder und denkt gar nicht ans Aufhören. So erlebt er auch eine Art Renaissance seines Lehrberufs mit: in den 1970er-Jahren als nicht mehr zeitgemäß abgeschafft, kehrte dieser 2019, erweitert um E-Bike, Scooter & Co., unter dem Namen "FahrradmechatronikerIn" zurück.
Betritt man den Hinterhof in der Mondscheingasse 4, fühlt man sich wie aus der Zeit gefallen. Im eng verwinkelten, leicht schäbigen Ensemble weist das blaue Semperit-Schild den Weg zu Kunster; davor zu Betriebszeiten eine Traube Fahrräder, die auf die Reparatur warten oder eben danach auf ihre Besitzerinnen und Besitzer. Nach Feierabend werden alle Räder fein säuberlich in die kleine Werkstatt geräumt. "33 war der Rekord, inklusive ein paar im Büro und einige vor dem Eingang hochgestellt, dass ich gerade noch zusperren konnte."
Seit 1983 selbstständig im Hinterhof
Seine Lehre hat Werner Kunster (*14.10.1943) 1958 bei Dorotha Pichler in der Leonhardstraße 24 absolviert, nach Stationen abseits des eigentlichen Berufs und bei Radsportmechaniker-Altmeister Franz Vychodil übernahm er 1983 die nahe dem Jakominiplatz gelegene Hinterhof-Werkstatt des Hans Eigler. Dessen Vater Johann gilt übrigens als erster Radhändler in Graz; erste Inserate datieren von 1888.
Kunster, der selbst motorisierte Zweiräder bevorzugte, hat in den ersten Jahren auch Mopeds repariert, vornehmlich Puch und HMW. Mit neueren, ausländischen Fabrikaten hat er sich dann nicht mehr anfreunden können, ebenso wenig wie mit den neuen E-Bikes: "Das ist nichts mehr für mich. Da gibt es jüngere Spezialisten." Und nun auch FahrradmechatronikerInnen. Fahrräder repariert er alle, wenngleich er meint: "Es wird schon viel erzeugt, was nichts Gescheit´s ist, heutzutage." Sein Herz gehört aber noch immer Puch. "Das war sehr schade, dass das Zweirad aufgegeben wurde."
Dem Zweirad treu geblieben
Die meisten, die sich hierher verirren, sind Stammkunden, über Mundpropaganda käme aber auch immer wieder neue Kundschaft. Solides Handwerk und Zuverlässigkeit begründeten Kunsters Ruf, Herausforderungen nahm er stets an: Als alleinerziehender Vater sorgte er für drei Kinder, auch mit seinem angeborenen Sprachfehler hatte er gelernt, gelassen umzugehen. Daneben fand er auch noch ein bisschen Zeit für sein Hobby, die Fotografie. Bei einem Bewerb einer Fotokette hat er sogar einmal einen Preis gewonnen. "Drei Fotos waren in der Firmenzentrale in Wien ausgestellt. Ich bedauere heute noch, dass ich keine Zeit hatte, die Ausstellung anzuschauen."
Werner Kunster, seit vielen Jahren unterstützendes Mitglied der Radlobby ARGUS, denkt mit seinen 76 Jahren nicht ans Aufhören: "Was soll ich zuhause alleine herumsitzen?" In Pension, krankheitsbedingt in Frühpension, ging er schon vor 13 Jahren. Was ihn aber keineswegs daran hindert, heute noch viereinhalb Tage die Woche seine reichlich patinierte Werkstatt aufzusperren und seiner Lieblingsbeschäftigung nachzugehen: dem Reparieren von Fahrrädern.
P.S.: Im Herbst 2020 war es dann doch soweit. Werner Kunster hat seine Werkstatt geräumt und sich in den wohl verdienten Ruhestand verabschiedet.
Text: Walter Bradler und Wolfgang Wehap; Fotos: Tobias Tschurtschenthaler
Artikel über Werner Kunster: "Der Letzte seiner Zunft", in: "Kleine Zeitung" 19.12.2008, "Kunsters Kosmos", in: "RadLerleben" 2009)
Clip mit Werner Schador "Kunsters Kosmos", © Roland Wehap 2009