Von 16. bis 22. September findet auch heuer wieder die Europäische Mobilitätswoche statt.
Mehr Sicherheit auf Freilandstraßen!
2019 wird ein 34-jähriger Radfahrender auf einer Landstraße im Bezirk Melk von einem Autolenker angefahren und stirbt im Straßengraben. Der Prozess am Landesgericht St. Pölten ergibt: Der Unfalllenker war übermüdet und bei Dunkelheit und regennasser Fahrbahn zu schnell unterwegs gewesen. Nach dem Zusammenprall hielt er nicht an, leistete keine erste Hilfe und rief auch nicht die Rettung. Das inzwischen rechtskräftige Urteil macht fassungslos: vier Monate bedingte Haft und eine Geldstrafe von 3.220 Euro wegen fahrlässiger Tötung. Eine lächerlich milde Strafe dafür, dass ein Mensch getötet wurde. Obwohl überhöhte Geschwindigkeit Todesursache Nummer eins auf Österreichs Straßen ist, wird sie nach wie vor als Kavaliersdelikt angesehen. Ebenso gibt es kaum Begleitradwege auf Überlandstraßen.
Unverhältnismäßigkeit
Eine grobe Fahrlässigkeit, für die bis zu zwei Jahre Haft verhängt werden kann, sah der Richter im oben genannten Fall nicht gegeben – grob fahrlässig verhält sich, so heißt es im Strafgesetzbuch, „wer ungewöhnlich und auffallend sorgfaltswidrig handelt“, so dass der Eintritt des strafbaren Sachverhaltes „als geradezu wahrscheinlich vorhersehbar“ ist. Der Verteidiger hatte der Austria Presse Agentur zufolge vor Gericht argumentiert, sein Mandant sei zwar zu schnell unterwegs gewesen, das sei aber „ein Massenphänomen“ im österreichischen Straßenverkehr.
Oft enden Begleitradwege plötzlich, Radfahrende müssen auf der Fahrbahn weiter fahren
Genau dieses flächendeckende Schnellfahren sieht die Radlobby als grobes Problem – besonders auf Freilandstraßen, die wahre Todesfallen sind.
„Drei Viertel aller Verkehrstoten in Österreich sterben dort, der Großteil davon auf klassischen Tempo-100-Landstraßen. In kaum einem Land in Europa sind die Messtoleranzen so groß und die Strafen so niedrig wie in Österreich. Mit dem Auto 20 km/h zu schnell zu fahren, kostet gleich viel wie ein einziger fehlender Reflektor an einem Rad. Das ist ein grobes Missverhältnis. Die Schweiz ist da strikter und hat bei gleicher Einwohnerzahl nur halb so viele Verkehrstote pro Jahr“ so Sprecher Roland Romano.
Strafenkatalog anpassen
Es in ein Problem der autodominierten Gesellschaft, dass Fehlverhalten am Steuer eines Kraftfahrzeugs oft sehr mild bestraft wird. Man kann sich etwa an den Fall vom August 2019 erinnert fühlen, bei dem ein 60-jähriger Autofahrer auf einer Landesstraße ebenfalls in Niederösterreich von hinten einen von einer Radfahrerin gezogenen Fahrradanhänger rammte, in dem zwei kleine Kinder und zwei Hunde saßen. Die radfahrende Mutter wurde dabei schwer verletzt, ihre zwei Töchter im Alter von vier und zwei Jahren starben. Das Landesgericht Korneuburg verurteilte den Unfalllenker zu 28.000 Euro Geldstrafe, 7.000 davon wurden ihm bedingt nachgelassen – obwohl er sich Medienberichten zufolge vor Gericht völlig uneinsichtig zeigte und sich in der Opferrolle sah.
Auf vielen Freilandstraßen fehlen Begleitradwege
Begleitradwege bauen
Der tragische Unfall hatte einen besonders fahlen Beigeschmack:
Erst im Vorjahr wurde eben jene Landesstraße um 850.000 € saniert, jedoch kein Begleitradweg gebaut. Die Radlobby hatte dringend geraten, bei jedem Straßenumbau oder -neubau die Radverträglichkeit zu sichern. Der tragische Unfall hatte jedoch nicht etwa zur Folge, dass man über Sicherheitsmaßnahmen wie baulich getrennte Radinfrastruktur oder Temposchutz diskutierte. Die Medien kreierten stattdessen eine Täter-Opfer Umkehr, man diskutierte plötzlich über die Sicherheit von Fahrradanhängern und mokierte sich darüber, dass die beiden Kinder keinen Helm trugen (als ob sie diese bei einem ungebremsten Aufprall mit über 100 km/h am Leben gehalten hätten). Die Mutter musste sich letztlich deshalb noch vor Gericht verantworten.
Eine Petition forderte daraufhin den schon lange dringend notwendigen Ausbau von Radwegen in Österreich. Dieses Video erklärt, warum dies so wichtig ist.
In diesem TV-Talk mit dem Kurier erklärt Radlobby Sprecher Roland Romano, warum die Gefahr nicht vom Rad ausgeht und was es braucht, um mehr Sicherheit für alle zu schaffen.
Begleitradwege wie jener in Trautmannsdorf sind selten
Tempo reduzieren bei Dunkelheit
Dass auch dieser Zusammenstoß bei Dunkelheit geschah, ist kein Zufall. Auffällig viele Freiland-Zusammenstöße passieren bei Dämmerung oder bei Nacht. Das liegt daran, dass die heutigen Abblendlichter für Sichtweiten von 60 bis 80 km/h gebaut sind, damit der Gegenverkehr nicht geblendet wird. Wer bei Dunkelheit schneller fährt, gefährdet Menschenleben und bricht die Straßenverkehrsordnung – sie besagt, dass die Fahrgeschwindigkeit den Verkehrs- und Sichtverhältnissen anzupassen ist.
Auf Freilandstraßen braucht es Infrastruktur, die Radfahrende und Zufußgehende schützt. Auf Freilandstraßen müssen baulich getrennte Radwege errichtet werden - am besten ein landesweites Netz, wie es in Dänemark und den Niederlanden längst Realität ist. Dort, wo keine getrennten Radwege vorhanden sind, braucht es wirksamen Schutz durch maximal Tempo-70.
Anreize schaffen, Sicherheit garantieren
Gerade Menschen, die trotz unzureichender Infrastruktur das Fahrrad als Verkehrsmittel wählen, sind zwangsweise oft unnötigen Risiken ausgesetzt. Dieser Umstand verhindert bei vielen motivierten Mitmenschen den Umstieg vom Auto auf das Fahrrad als Transportmittel für den Alltag. Stattdessen erfolgt der Rückzug in den vermeintlich sicheren PKW, gerade jetzt während der COVID-19-Pandemie.
Während es also nun im ersten Schritt um Bewusstseinsbildung und die unbedingte Einhaltung und Durchsetzung der bereits existierenden Gesetze, wie zum Beispiel „Fahren auf Sicht“ geht, fordert die Radlobby weitere Änderungen im Gesetz zum Schutz der Radfahrenden.
- Baulich getrennte Begleitradwege auf Freilandstraßen
- Temposchutz auf Freilandstraßen ohne getrennte Radweginfrastruktur (maximal Tempo 70)
- gesetzliche Festlegung eines minimalen Überholabstands
Dieser Artikel beruht auf einem Text im aktuellen DRAHTESEL.