Von 16. bis 22. September findet auch heuer wieder die Europäische Mobilitätswoche statt.
Koalition mit Rad? Der Radlobby-Report zur Wahl
Nationalratswahl 2017: das Resumée der Radlobby nach den wochenlangen Analysen der Wahlprogramme der wichtigsten kandidierenden Parteien ist erschütternd, aber wenig überraschend. Letzteres, weil die Parteien mit der größten Umweltkompetenz die deutlich besten Ergebnisse zeigen, wobei die Grünen herausragen. Erschütternd, weil sich fahrradfreundliche und damit klimaschonende Verkehrspolitik auf dieses Parteisegment beschränkt, alle anderen Wahlprogramme haben die Radlobby-Kriterien kaum erfüllen können.
Objektive Kriterien nicht erfüllt
Sieben Kriterien hat die Radlobby der Wahlanalyse zugrunde gelegt, im Detail HIER nachzulesen. Vom Grundverständnis für Radverkehr über die wichtige Klimaschutzfrage, StVO-Änderungen, Gesundheitsvorsorge durch aktive Mobilität, die Vision einer Zukunft ohne Verkehrstote und gerechter Verteilung des Kilometergeldes bis zur Freigabe von Forststraßen für RadfahrerInnen haben diese sieben Kriterien Kernfragen radförderlicher Politik zusammengefasst. Ergebnis: Nur die Grünen konnten fast alle Themen zufriedenstellend ansprechen, wie unser grafischer Überblick zeigt. Die Chancen auf eine Koalition pro Radverkehr in der zukünftigen Regierung ist so gering wie selten.
Detailanalysen jeder Partei
Welche Wahlprogramme die Kriterien für eine radfreundliche Regierung erfüllen können, zeigen unsere Analysen von SPÖ, die Grünen, ÖVP, FPÖ, NEOS, Liste Pilz, KPÖ+ im Detail (für Einzelanalysen jeweils auf Parteinamen klicken). Hier eine Zusammenfassung:
1. Grundverständnis Fahrrad
Die verkehrspolitische Bedeutung des Fahrrades als Verkehrsmittel ist den Grünen erwartungsgemäß sehr bewusst, die Liste Pilz und die KPÖ+ zeigen auch starke Tendenzen in die richtige Richtung. Sitzen allerdings die NEOS, SPÖ, ÖVP oder FPÖ in der zukünftigen Regierung, werden wohl keine zusätzlichen Budgetmittel für den Radverkehr ermöglicht.
2. Klimaziele
Klimaschutz kommt in den Wahlprogrammen aller Parteien vor, viele liefern jedoch Bekenntnisse zu großen Klimaschutz-Aufgaben ohne Verbindlichkeiten. Das Fahrrad als umweltschonendes Fortbewegungsmittel findet nur bei den Grünen, der KPÖ+ und der Liste Pilz eine Erwähnung.
3. Straßenverkehrsordnung
Die radfreundliche Novelle der StVO ist höchst an der Zeit, leider sehen das offenbar nur die Grünen und ein Kandidat der Liste Pilz so. Die Abschaffung der diskriminierenden Sonder-Nachrangregeln für Radfahrende, Erleichterungen für radfahrende Kinder und Eltern, die gesetzliche Regelung des Seitenabstandes beim Überholen und die Ausnahmeregelung für Rechtsabbiegen bei Rot für Radfahrende sind aber dringlich.
4. Gesundheitsvorsorge
Bewegungsmangel und Umweltschäden haben Gesundheitskosten in Milliardenhöhe zur Folge. Mehr Alltagsradfahrende wären Teil der Lösung dieser Probleme. Das dürfte jedoch keiner der Parteien sonderlich bewusst zu sein. Die Verknüpfung zu aktiver Mobilität wird in keinem Wahlprogramm gestellt, das Fahrrad als alltägliches Mittel der Krankheitsprävention nicht erkannt.
5. Vision Zero
Das offizielle Ziel der Bundesregierung, gar keine Verkehrstoten mehr auf Österreichs Straßen beklagen zu müssen, kann nur erreicht werden, wenn Verkehrssicherheitsmaßnahmen und Geschwindigkeitsbeschränkungen auf Tempo 30/80 rigoros umgesetzt werden. Dieses Grundverständnis findet sich leider nur im Wahlprogramm der Grünen. Positiv anzumerken ist jedoch, dass das Verkehrssicherheitsprogramm der Bundesregierung diese Ziele vertritt und unter SPÖ-MinisterInnen zustande kam. (Dazu Radlobby-Artikel HIER)
6. Kilometergeld
Lediglich die Grünen schließen sich der Kritik der Radlobby an und thematisieren die konkrete Ungleichbehandlung beim amtlichen Kilometergeld: Während dieses bei der Verwendung eines Autos pro Jahr mit maximal 30.000 Kilometern limitiert ist, liegt die Obergrenze bei Fahrrädern bei nur 1.500 Kilometern pro Jahr, also fünf pro Tag.
7. Natur öffnen
Auf Forststraßen gilt generelles Fahrverbot, viel zu selten sind Radfahrende davon ausgenommen. Dadurch ist in Österreich das Radfahren im Wald meistens verboten, wohingegen es beispielsweise in Deutschland und der Schweiz grundsätzlich erlaubt ist. Daher fordert die Radlobby Österreich: Forststraßen fürs Radfahren gesetzlich freigeben. Hier sind die SPÖ und ein Pilz-Kandidat mit der Radlobby einer Meinung: „Forststraßen müssen allen offen stehen“ heißt es. Auch die Grünen stoßen in dieses Horn: Sie brachten bereits 2015 einen parlamentarischen Antrag ein, in dem sie von der Bundesregierung eine generelle Öffnung der Forststraßen für Mountainbiker forderten. Die restlichen Parteien äußern sich dazu in ihren Wahlprogrammen nicht, die ÖVP hat das Anliegen allerdings schon im Vorjahr abgelehnt.
Wahlanalyse-Resümee: Ines Ingerle und Alec Hager