Torte der Wahrheit #3: Regelkenntnis der Radfahrenden

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Nachdem wir uns bei den bisherigen Torten der legendären Länge des Wiener Radwegenetzes und der objektiven Sicherheit von Radfahren gegen die Einbahn gewidmet haben, geht’s heute um ein Thema, das regelmäßig die Gemüter erhitzt: die Regelkenntnis der Radfahrenden.

Ungerechtfertigte Anschuldigungen 

Man kennt die leidigen Anschuldigungen: Radfahrerende Menschen halten sich nicht an die Verkehrsregeln, fahren über rote Ampeln, rasen ohne zu schauen über Kreuzungen obwohl sie Nachrang haben. Oft wird sogar behauptet, Radfahrende kennen die meisten Verkehrsregeln gar nicht, weil sie keinen Führerschein haben.  
Zu unserem Glück hat Moritz Polacek seine Diplomarbeit 2014 zu genau diesem Thema verfasst. Mittels Online-Umfrage hat er die Regelkenntnisse von Verkehrsteilnehmenden abgefragt und immerhin eine Stichprobe von 1.748 erreicht. Dabei handelt es sich aber nicht nur um Radfahrende, sondern auch um Leute, die mit dem Auto und mit den öffentlichen Verkehrsmitteln oder Kombinationen daraus unterwegs waren. Trotz der relativ großen Stichprobe ist die Befragung nur bedingt repräsentativ, kann uns aber zumindest einen Anhaltspunkt liefern.

Kenntnisse differenziert 

Konkret wurden die Teilnehmenden zu Vorrangverhältnissen zwischen Radfahrenden und Kfz-Lenkenden befragt, und zwar beim Ende bzw. beim Verlassen einer Radfahranlage im Strecken- bzw. im Kreuzungsbereich, beim Verschwenken von Mehrzweckstreifen vor Kreuzungen und zur Rechtsregel bei Radfahren gegen die Einbahn. Ausgewertet wurde u.a. nach „reinen“ Radfahrenden, also Leuten die nur mit dem Rad unterwegs sind, „reinen“ Pkw-Fahrenden und Kombinationen.
Es zeigte sich, dass die Kenntnisse über Vorrangverhältnisse zumindest im Streckenbereich ganz gut sind, das heißt ca. 75 % wissen, dass Radfahrende beim Ende oder Verlassen einer Radfahranlage Nachrang haben. Die Rechtsregel bei Radfahren gegen die Einbahn kennen immerhin noch 55%. Beim Verschwenk von Mehrzweckstreifen vor Kreuzungen wissen nur mehr 47%, dass Radfahrende Vorrang haben. Über den Sondernachrang von Radfahrenden beim Verlassen von Radfahrerüberfahrten bzw. beim Ende von Radfahranlagen im Kreuzungsbereich wissen überhaupt nur mehr 35% bzw. 24% Bescheid. Und dass Radfahrende, wenn sie einen im Kreuzungsbereich durchgezogenen Mehrzweck- oder Radfahrstreifen verlassen, auch gegenüber entgegenkommenden Linksabbiegern Nachrang haben, wissen erschreckende 5% der Verkehrsteilnehmer! Lustiges Detail am Rande: 85% der „reinen“ Autofahrenden und 75% der „reinen“ Radfahrenden glauben von sich, eine sehr gute oder gute Kenntnis der Vorrangregelung zu haben.

Radweg-Ende

Wissensstand ähnlich 

Der tatsächliche Wissensstand von Radfahrenden und Kfz-Lenkenden ist generell relativ ähnlich, wobei die Regelkenntnis – zumindest zum Sondernachrang – bei Radfahrenden tendenziell eher höher ist als bei den KollegInnen und Kollegen auf vier Rädern. Knapp 90% der Radfahrenden, die an der Umfrage mitgemacht haben, haben übrigens auch einen Führerschein.
Der Mythos, dass Radfahrende die Verkehrsregeln nicht kennen, kann also getrost als solcher bezeichnet werden – zumindest kennen Radfahrende die Regeln genauso gut oder schlecht wie Kfz-Lenkende. Moritz Polacek kommt durch weitere Analysen und Interviews mit VerkehrsexpertInnen und VerkehrsjuristInnen zum Ergebnis, dass die aktuelle Vorrangregelung nur deshalb funktioniert, weil weder Autofahrende noch Radfahrende die Sondernachrangregeln kennen und sich intuitiv so verhalten, als ob Radfahrende Autofahrenden gleichgestellt wären. Die ExpertInnen sind auch fast einhellig der Meinung, dass die Regeln dem Verhalten angepasst werden müssen, der Sondernachrang also abgeschafft werden sollte, wie auch die Radlobby in Ihrer Forderung eienr StVO-Novelle nahelegt. 

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Wir hoffen, die Torte hat geschmeckt und freuen uns schon auf das nächste Schmankerl. 
 

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