Der BiciBus zur VS Liebenau ist erfolgreich gestartet und fährt weiter:
...
Mantova, eine mittelgroße Stadt mit 48.000 Einwohnern in der oberitalienischen Lombardei, steht touristisch im Schatten der Metropole Mailand oder dem Gardasee. Für die RADLOBBY ARGUS Steiermark Aktiven Stephan Landgraf und Heidi Schmitt, die seit Jahren den oberitalienischen Raum radtouristisch erkunden, ist gerade diese Lage etwas abseits der großen Touristenströme besonderer Anreiz, eine Radreise zu organisieren - diesmal mit Unterstützung von Daniele Mattioli, dem Präsidenten des örtlichen Schwestervereins „FIAB - Amici della Bicicletta Mantova" (RadfreundInnen Mantua).
Im „Vorprogramm" der Erkundungsreise wurde zunächst am Sonntag Vormittag mit der kleinen Gruppe der eben erst (am 14.08.2013) feierlich im strömenden Regen eröffnete Radweg von Mantova nach Grazie besichtigt. Dieser war aufgrund des hohen Autoverkehrsaufkommens in diesem Bereich dringend notwendig und ist auch einigermaßen gut befahrbar, wurde im Endeffekt aber aufgrund der zahlreichen „Archetti" (Bügel zur Verlangsamung des Radverkehrs) und Benachrangungen nicht zur völligen Zufriedenheit der FIAB Mantova ausgeführt, weshalb Daniele auch bereits eine 16-seitige Beschwerde bei der Provinz eingebracht hatte.
Erinnerungen ans alte Österreich
Zum Auftakt der heurigen "RadKulTour" wurde Mantova selbst vor den Vorhang geholt und die Stadt, deren Erbe im Wesentlichen auf knapp 400 Jahre Herrschaft der mächtigen Familie Gonzaga zurück geht, in Augenschein genommen. Zur Stadtrundfahrt wurde die Gruppe am wohl schönsten Bauwerk der Stadt, am Palazzo Te von mehreren FIAB Mantova Aktiven und einem Journalisten der „Voce di Mantova" empfangen, der im Laufe der Woche zweimal von der Tour berichtete. Daniele führte die Gruppe per Rad durch die Stadt, und zeigte eine Reihe von mehr oder weniger bekannten Kostbarkeiten, wie die Wohnhäuser von Mantegna und Giulio Romano, dem Architekten des Palazzo Te, oder die romanische Rundkirche „Rotonda di San Lorenzo".
Ein besonderes Gustostück war das „Teatro Bibiena", errichtet im Jahr 1767 unter österreichischer Herrschaft als Hörsaal und Theater zugleich. Der junge Mozart ist dort im Jahr 1770 kurz nach der Eröffnung aufgetreten. Die geschwungenen Balkone, Säulen und Verzierungen, allesamt aus Holz sind so bemalt, als wären sie aus Steinen erbaut. Mit einer Gruppe von ÖsterreicherInnen durfte natürlich auch der Besuch des Andreas Hofer-Denkmals bei der Porta Giulia nicht fehlen, wo dieser von Napoleons Gefolgschaft am 20. Februar 1810 hingerichtet wurde, obwohl die Bevölkerung von Mantova sich für ihn eingesetzt hatte.
Parco Oglio Sud
Am zweiten Tag startete die Tour regenbedingt mit einer Stunde Verspätung durch die wenig bekannte Flusslandschaft des Parco Oglio Sud zum Zusammenfluss von Oglio und Po. Auf dem Po-Deich entlang ging es zu einer der wenigen verbliebenen, jedoch bereits stark ramponierten Bootsbrücken am Oglio. Da aus Personal-Einsparungsgründen diese nicht mehr wie früher, je nach Wasserstand, auf vier verschiedene Höhen angepasst werden kann, sondern auf dem höchsten Niveau fixiert ist, war diese wegen der anhaltenden Trockenheit in den Wochen zuvor nicht passierbar und daher gesperrt. So musste das Tagesprogramm etwas modifiziert werden, und es ging ohne Besichtigung des Pumpwerks von San Matteo direkt nach Gazzuolo mit seinen Bogengängen, erbaut von den Gonzagas im 16. Jahrhundert.
Nach der Mittagsrast im Park fuhren wir weiter in das sehr ähnlich wie Gazzuolo gestaltete San Martino, wo neben der Eisdiele auch die Fresken der Pfarrkirche zum Besuch einluden. Daniele holte den Pfarrer aus seiner Mittagsruhe, der aber bereitwillig aufsperrte.
Von Bozzolo ging es per Zug zurück nach Mantova, wo uns Francesco seine außergewöhnlichen Fahrradkreationen präsentierte. Er bereitet alte Fahrräder auf und belässt ihnen beim Restaurieren ihre Geschichte. Teilweise werden sie wieder fahrtüchtig in den ursprünglichen Zustand zurück versetzt, teilweise werden jedoch neue Kunstwerke wie stylische, minimalistische Fixies. Die neueste Kreation ist inspiriert von den Socken seiner Freundin: eine Lackierung in rosa und grau mit weißen Punkten. Für die Fußballmannschaft von Mantova arbeitete er an einem ebenfalls besonderen Einzelstück, und für Danieles Idee einer fahrenden Bibliothek lackierte er gerade ein Bäckerfahrrad neu, so dass damit Kinderbücher in Parks zum Vorlesen gebracht werden können.
Valeggio sul Mincio
Entlang des Mincio-Kanals führt der Radfernweg Eurovelo 7. In Massimbona empfing uns ein Radlerpärchen, das von der Tour über Danieles Aussendungen erfahren hatten und Signor Ramaroli, Besitzer der alten Mühle, die auf das Jahr 1150 zurückgeht. Seine Großeltern haben sie bis in die 1960er Jahre betrieben. Nachdem seine Eltern vor kurzem ebenfalls verstorben sind, führt er nun die BesucherInnen durch die historischen Gebäude, die noch den Charme längst vergangener Jahrzehnte ausstrahlen und außer einem modernen Bad wenig an Luxus bieten. Die kleine romanische Kirche daneben mit ihren wunderschönen Fresken war ebenfalls sehenswert. Da diese Besichtigung den geplanten Zeitrahmen gesprengt hatte, wurde das Mittagspicknick statt im Parco Sigurtà beim „Chiosco die Mulini", einem bei RadlerInnen sehr beliebten Pausenplatz am Abzweig nach Volta Mantovana, eingenommen.
Von da aus ging es in das malerische Borghetto. Die kleinen Mühlen werden überragt von der mächtigen Viscontibrücke und weithin zu sehen erhebt sich im Hintergrund das Castello Scaligero von Valeggio sul Mincio. Wieder etwas später als geplant, traf die Gruppe in Villafranca di Verona beim Castello ein und wurde diesmal vor Führung von einer Journalistin der „Arena di Verona" interviewt. Das Castello wurde erst vor kurzem für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht, so dass es auch für Daniele der erste Besuch dort war. Besonders schön waren die Fresken in der Kapelle. Nach einem Kaffee wurde mit einem Zug später als geplant, die Rückfahrt angetreten.
Die linke Seite des Mincio
Das Land ist vor allem geprägt von der Bonifica (Wasserwirtschaft) mit ihren großen Pumpwerken, deren wesentliche Aufgabe in erster Linie die Entwässerung und der Hochwasserschutz der Poebene ist. Erst in zweiter Linie sorgen sie, quasi als Nebeneffekt, für die Bewässerung der Felder. Als Ersatz für den am Montag ausgefallenen Programmpunkt gelang es Daniele, an diesem Tag kurzfristig in Bagnolo San Vito eine Führung im Pumpwerk „Idrovoro della Travata" zu organisieren. Nachdem man extra wegen der Gruppe alle Maschinen ausgeschaltet hatte, führte Fausto Dondi durch die altehrwürdigen Gebäude. Diese überraschten zunächst mit ihrem hervorragenden Zustand und der Jugendstildekoration im Inneren, das eher an Kathedralen als an Maschinenräume erinnert. Die Wanddekorationen sind nicht gemalt, sondern geritzt und dadurch besonders langlebig und wartungsarm.
Seit den 1920er Jahren laufen die gut gewarteten Pumpen noch immer zuverlässig und ohne Computersteuerung. Die Art und Weise der Steuerung unterliegt alleine Erfahrung und Geschick der Maschinisten, die sich damals wie heute ihrer großen Verantwortung bewusst sind und offenbar ihren Beruf sehr gerne ausüben.
Diese ausführliche Besichtigung beanspruchte wieder mehr Zeit als geplant, so dass es statt zur Schleuse von Governolo gleich auf der Direttissima zur „Riserisa il Galeotto" ging. Die Reismühle aus dem späten 18. Jahrhundert ist noch immer in Funktion, doch auch moderne Technik hat inzwischen Einzug gehalten. Der Reisanbau sicherte in früheren Jahrzehnten das Überleben der Bevölkerung. Auch heute gibt es auf der linken Seite des Mincio noch ein kleineres Anbaugebiet. Das Recht, Wasserkraft für die Mühle einzusetzen, geht auf Maria Theresia zurück. Die entsprechende Urkunde wird noch heute in der Reismühle aufbewahrt. Geführt wird die Mühle heute vom Nachfahren der Gründerfamilie, einem sehr freundlichen, pensionierten Chirurgen. Nach der Besichtigung bewirtete er die Gruppe mit dem für die Gegend typischen „Risotto alla pilota", einem deftigen Risotto mit Wurstbrät, das traditionell der Vorarbeiter, also der Pilota, nach der Reisernte persönlich serviert hat.
Am Nachmittag ging es dann weiter zum land- und forstwirtschaftlichen Betrieb „Azienda Capaneta", der 220 ha Land bewirtschaftet. Die kleine, historische Reisschälmühle im Nebengebäude sorgte in früheren Zeiten für die Eigenversorgung der ArbeiterInnen. Der Betrieb ist heute im Besitz der Region Lombardei und beschäftigt sich unter anderem auch mit der Renaturalisierung von Waldgebieten. Nach einem ausgeklügelten System werden neue Mischwälder angelegt. Der „Parco di Arlecchino", der ebenfalls von dem Betrieb angelegt wurde, knüpft an die lokale Tradition an und verfolgt vor allem didaktische Ziele.
Die Moränenhügel
Über die Eurovelo 7 gelangten wir diesmal zum Naturschutzgebiet Bosco Fontana, einem kleinen Rest des Eichenwalds, der einst die ganze Po-Ebene bedeckt hat. Dieser ist das historische Vorbild der am Vortag besuchten Aufforstung und ist ebenfalls im Besitz der Region. Radfahren ist im Wald streng verboten, daher wurde der restliche Weg zum Palazzo Gonzaga aus dem 16. Jahrhundert zu Fuß zurückgelegt. Für Autos dagegen macht man offenbar vereinzelt Ausnahmen. Dank der Bemühungen von Rosy Fezzardy, einer Bekannten Danieles, war es möglich, die herrlichen, frisch restaurierten Fresken auch in normalerweise nicht zugänglichen Teilen des Palastes zu besichtigen.
Weiter ging es in die Landschaft der sanften Moränenhügel nach Volta Mantovana, wo ein weiterer Palazzo Gonzaga steht, der heute als Rathaus verwendet wird. Die Besichtigung dort gestaltete sich - eher ungewöhnlich für italienische Verhältnisse - recht wortarm und mehr als Begleitung durch die mit Fresken verzierten Amtsräume, nur auf Nachfrage wurde die eine oder andere Erklärung abgegeben.
Nach einer kurzen Rast mit Blick auf das Panorama der Ebene ging es erst zum Eis essen und dann weiter zu einem zwar nicht spektakulären, aber dennoch besonderen Ort der Ruhe, der auch bei unseren italienischen Radfreunden sehr beliebt ist: Auf einem Hügel in nahe gelegenen Campagnolo thront die kleine Kirche S. Anna und lud zu einer kleinen Rast ein.
Auf dem weiteren Weg lag noch das romantische Castellaro Lagusello, einer der schönsten Orte Italiens. Dort kannte Daniele noch einen Bonsaizüchter, bei dem die Gruppe kurz Station machte.
Schließlich erreichte die Gruppe den Gardasee in Peschiera del Garda. Dort ging es nach einer Kaffeepause gleich zum Bahnhof, wo für die Rückfahrt der Bicibus, der reguläre Linienbus mit Anhänger, bestellt war. Die Verladung funktionierte hervorragend und die Rückfahrt konnte pünktlich angetreten werden.
Seeumrundung
Für den Weg zum Palazzo Te wählte Stephan die Route entlang des Mincio, die aber aufgrund der Unwetter vom Vortag mit umgestürzten Bäumen blockiert und nur mühsam passierbar war. Der Palazzo Te wurde von Giulio Romano im 16. Jahrhundert als Lustschloss errichtet und stellt ein bedeutendes Bauwerk des Manierismus dar. Die Besichtigung der Räume mit den wunderschönen Fresken war für viele ein besonderer Höhepunkt der Woche.
Mantova liegt wie eine Insel eingebettet in die Fluss- bzw. Seenlandschaft des Mincio, die an diesem Tag umrundet wurde. Goito, einst Schauplatz einer besonders blutigen Schlacht im April 1848 ist heute ein idyllischer Ort. An die kriegerische Zeit erinnert heute nur noch das Denkmal für die Bersaglieri, eine Truppe von Fußsoldaten, die dort ihre Feuertaufe erhielt. Von außen zu besichtigen waren in Goito die Villa Moschini und die Villa Giraffa.
Nach der Mittagspause ging es weiter nach Sacca zu einem beeindruckenden Naturdenkmal: Einer uralte, riesigen Eiche zirka 30 m hoch mit einem Stammumfang von über fünf Metern. Nach einem kurzen Zwischenstopp in Rivalta, wo leider keine Zeit für das dortige ethnografische Museum über Flussberufe blieb, ging es zum Wallfahrtsort Grazie. An Ferragosto (Maria Himmelfahrt) findet dort immer ein Festival der Straßenmaler, der „Madonnari" statt.
Von den Kreidezeichnungen mit überwiegend religiösen Motiven waren jedoch nur noch Reste zu sehen, das meiste hatte der Regen bereits weggewaschen. Die Wallfahrtskirche von Grazie ist sehr ungewöhnlich, da die dankbaren SpenderInnen der ältesten Votivgaben dort selbst als Wachsfiguren dargestellt sind, inklusive der jeweiligen Unglücke, denen sie entronnen sind. Dies macht die Kirche im ersten Moment eher zu einem unheimlichen Gruselkabinett.
Zum Abschluss der Tour erwarteten die „Barcaioli del Mincio" die Gruppe, um sie inklusive der Fahrräder gemächlich per Boot durch die Lotusblütenfelder nach Mantova zu bringen. Anlässlich Ines‘ Geburtstag hatte Daniele noch eine Überraschung vorbereitet: es gab Sekt und Kuchen, der Bootsführer steuerte noch einen frisch geernteten Lotusblumenstrauß bei.
"Ciclisti Illuminati" - Licht und Technik auf Italienisch
Diesmal gab es nicht nur ein Vorprogramm, sondern auch noch ein Nachprogramm zur Tour, zu dem Daniele einlud. In Porto Mantovano unweit von Mantova sollte am Abend eine nette Aktion der FIAB Mantova stattfinden: "Ciclisti Illuminati" (Wortspiel: beleuchtete/erleuchtete/aufgeklärte RadlerInnen). Die Gemeinde spendierte den anwesenden RadlerInnen Batterielichter, FIAB Mantova montierte, RADLOBBY ARGUS Steiermark unterstützte die Aktion tatkräftig. Die Veranstaltung war sehr gut besucht. Mit den Bürgern stiegen auch der Bürgermeister mit Familie inklusive Enkelkind, verschiedene Gemeinderäte und VIPs des Ortes aufs Rad. Dann ging es auf einer gemeinsamen kleinen Radtour zum Corte Spinosa, einem Gutshof, wo es nach einem deftigen Buffet und Getränken zur geistigen Labung ging. An verschiedenen Plätzen im Park gab es literarische Lesungen.
Vor der Rückfahrt überreichten der örtliche Gemeindevertreter und Daniele, als schöne Geste der Gastfreundschaft, den Gästen aus der Steiermark für die Gegend typische Präsente: ein großes Stück „Grana Padano"-Käse und ein Glas „Mostarda mantovana", in Honig und Senföl eingelegte Äpfel.
HEIDI SCHMITT