Von 16. bis 22. September findet auch heuer wieder die Europäische Mobilitätswoche statt.
Der beste Bodenbelag für schöne Raderlebnisse
Ist man zu Fuß unterwegs oder im Auto, fällt er einem oft gar nicht so recht auf. Auf dem Rad hingegen kann er eine Wegstrecke zur Qual machen oder zum Genuss: Der Bodenbelag. Muss ich unterwegs durch Lacken und Gatsch manövrieren? Riskiere ich ein Schütteltrauma? Oder kann ich auf einer glatten, hindernisfreien Strecke meinem Ziel entgegenfliegen? Das kann darüber entscheiden, ob eine potenzielle Radfahrerin, ein potenzieller Radfahrer tatsächlich aufs Rad steigt oder nicht. Selbst für historische Zentren und naturnahe Gebiete gibt es mittlerweile radelfreundliche Bodenbeläge.
Welche Oberflächeneigenschaften ein Radweg haben soll, erklärt zum Beispiel das Design Manual for Bicycle Traffic, das die niederländische Plattform CROW herausgibt. Die wichtigsten Punkte: Befestigt, eben und rutschfest soll er sein, einen möglichst geringen Rollwiderstand haben und Regenwasser gut ableiten können.
Verleiht Flügel: Roter Asphalt
Asphalt ist eben und fugenfrei und daher der bei Radfahrenden mit Abstand beliebteste Bodenbelag. Auch für Straßenerhalter hat er Vorteile, weil er langlebig und kosteneffektiv ist. Um Radwege besser sichtbar zu machen, vor allem an Gefahrenstellen, wird Asphalt in Österreich dort oft grün oder rot angestrichen. Eine oberflächliche Bemalung, wie sie hierzulande üblich ist, wird allerdings bei Regen leicht zur Rutschgefahr und muss außerdem oft kostenintensiv nachgestrichen werden. Auch in den Niederlanden und im flämischen Teil Belgiens ist Radinfrastruktur oft rot eingefärbt. Dahinter steckt allerdings eine völlig andere Technik: Hier wird der Asphalt für die wenige Zentimeter dicke Deckschicht bereits eingefärbt, bevor er aufgetragen wird. Dieser rote Asphalt bleibt meist viele Jahre lang in gutem Zustand. In den genannten Ländern wird dieser radelfreundliche Bodenbelag auch für Fahrradstraßen eingesetzt. Dadurch sind die wesentlichen Bestandteile des Radnetzes intuitiv für alle erkennbar, und Autofahrer*innen fällt es leichter, sich in Fahrradstraßen als Gäste zu verhalten. Ein wichtiger Beitrag zur selbsterklärenden Straße, die das gewünschte Verhalten logisch erscheinen lässt und so für mehr Verkehrssicherheit sorgt.
Eine rot asphaltierte Fahrradstraße im Belgischen Gent
Kompromiss für historische Zentren
Der Albtraum aller Radfahrenden (wie auch aller Menschen, die im Rollstuhl unterwegs sind oder einen Kinderwagen schieben) hat einen Namen: Kopfsteinpflaster. Für historische Zentren, in denen Asphalt aus ästhetischen und denkmalschützerischen Gründen nicht in Frage kommt, sind ebene Natursteinplatten ein guter Kompromiss. Umgesetzt wurde er zum Beispiel schon in der Herrengasse und um die Minoritenkirche in der Wiener Innenstadt; sinnvoll wäre eine solche Anpassung auch für den nur wenige Meter entfernten, bisher mit rumpeligem Kopfsteinpflaster versehenen Michaelerplatz, den nicht nur viele Menschen zu Fuß queren, sondern über den auch eine Hauptradroute verläuft. Auch für Begegnungszonen, wie sie in immer mehr Ortszentren und Einkaufsstraßen errichtet werden, sind ebene Platten zum Beispiel aus hellem Granit eine gute, radfreundliche Option, um die verkehrsberuhigte Zone erkennbar zu machen und die Straße ästhetisch aufzuwerten.
Hiistorisches Zentrum in Amsterdam
Trocken und sauber durch die Natur
In naturnahen Gebieten müssen sich Radfahrer*innen für Alltagsfahrten oft in Gatschabwehr-Spezialkleidung werfen oder kommen überhaupt nur auf einem Mountainbike an ihr Ziel. Als Argument, warum auf naturnahen Strecken, die etwa für Arbeitswege genutzt werden (könnten), keine komfortableren Radwege errichtet werden, wird oft die Flächenversiegelung angeführt. Doch ganz abgesehen davon, dass selbst ein gut ausgebauter Radweg schmäler ist und somit ohnehin sehr viel weniger Fläche versiegelt als eine Autostraße der selben Länge: Auch für Radwege in naturnahen Gebieten gibt es eine gute Lösung. Für sogenannte Naturwegdecken wird Asphaltbruch gepresst statt erhitzt, so bleibt die Oberfläche wasserdurchlässig. Dank dieser naturkonformen Methode ist schon heute etwa entlang des renaturierten Liesingbaches, einer Hauptradroute am Wiener Stadtrand, gatschfreies Radeln möglich.
Schienenstraßen: Asphalt statt Beton
Ihren Namen mag kaum jemand kennen, aber wie sie sich anfühlen, wissen alle, die schon einmal mit dem Fahrrad auf einer Wiener Schienenstraße unterwegs waren: Budapester. Betonplatten sind etwa anderthalb Meter lang und verziehen sich mit zunehmender Abnutzung, wodurch die Querfugen zwischen den einzelnen Platten immer unebener werden. Das bedeutet Lärmbelastung für Anrainer*innen und eine erhöhte Sturzgefahr für Radfahrende. In der Wiener Klosterneuburgerstraße wird seit 2017 in einem Pilotversuch eine Konstruktion namens Rheinfeder erprobt, die die VOEST 2004 erfunden hat. Dabei werden die einzelnen Schienen mit Gummi-Elementen ummantelt und der Bereich zwischen den Schienen asphaltiert, was die Entstehung von Rissen verhindern soll. Eine Bewertung des Pilotversuchs wurde bisher nicht veröffentlicht; dass die Rheinfeder auch in Städten wie Amsterdam, Brüssel, Bratislava, München und Düsseldorf zum Einsatz kommt, deutet aber darauf hin, dass das System funktioniert.
Schienenstraße in der Joergerstrasse
Weg mit Rutsch- und Stolperfallen
Ein guter Radweg hat nicht nur einen ebenen, komfortablen und sicheren Bodenbelag, sondern ist auch möglichst frei von Hindernissen und potentiellen Sturzgefahren, die die Aufmerksamkeit der Radfahrenden vom Verkehrsgeschehen ablenken.
Dazu gehören zum Beispiel Umlaufsperren, also versetzt aufgestellte Geländer in Kreuzungsbereichen, die Radelnde umfahren müssen; dazu gehören ebenso trapezförmige Temposchwellen, wie sie in Österreich üblich sind – sinnvoller und auch in den Richtlinien für das Straßenwesen in Österreich (RVS) vorgeschrieben wären geschwungene Schwellen.
Auch herkömmliche senkrechte Randsteine stellen Hindernisse dar und nehmen die Aufmerksamkeit von Radfahrer*innen unnötig in Anspruch. Wo eine physische Abgrenzung nötig ist – etwa zwischen Radweg und Gehweg –, sind schräg angelegte Randsteine, sogenanne Schrägboards, die beste Lösung: Für Fußgänger*innen sind sie gut spürbar, Radfahrer*innen können sie notfalls überfahren, um einen Sturz zu vermeiden. Auch taktile Pflasterstreifen oder Rumpelstreifen, vergleichbar mit jenen auf Autobahnen, können Radelnde rechtzeitig vor einem unbeabsichtigten Abkommen vom Radweg warnen, ohne sie zu Sturz zu bringen. Wo ein asphaltierter Radweg eine asphaltierte Quergasse kreuzt, sollte auf Randsteine ganz verzichtet werden – so steht es in den RVS, und eine solche durchgängige Asphaltierung bedeutet auch weder Mehraufwand noch Mehrkosten.
Best Practive Amsterdam: Rot eingefärbter Asphalt, schräger Randstein, Kanalgitter im Randstein
Trotzdem müssen Radfahrende an solchen Stellen in vielen Bundesländern über Randsteine holpern, was unkomfortabel ist und ein unnötiges Sturzrisiko darstellt. Auch auf Hauptradrouten außerorts sind Randsteine nicht nötig, wichtig ist hier allerdings eine deutliche farbige Markierung der Randlinien etwa zu Wiesen oder Böschungen: Das Abkommen vom Radweg ist eine sehr häufige Ursache für Unfälle ohne Fremdbeteiligung. Kanaldeckel und -gitter auf Radwegen erhöhen bei Nässe die Ausrutschgefahr (Kanalgitter in Längsrichtung sind auf Radwegen ohnehin ein absolutes No-Go). Wie es besser geht, zeigen wieder einmal die Niederlande: Dort werden die Kanalgitter in die Schrägboards, die schräg angelegten Randsteine, integriert.
ANALYSE: Matthias Pintner
Erschienen im DRAHTESEL