Klimaschutz: Das Prinzip der dreifachen Entlastung

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Die drei Hauptlebensbereiche aus dem Gesichtspunkt der Umweltbelastung betrachtet sind: Wohnen, Ernährung und Mobilität. Als vierter Bereich kann man noch den übrigen Konsum hinzufügen. Sie stellen einen wesentlichen Faktor dar, wie jeder und jede einzelne ein nachhaltiges Leben führt – oder eben nicht. Wie schaffen wir es also, diese Bereiche so zu gestalten, dass unser ökologischer Fußabdruck möglichst gering ist und wir dennoch ein schönes Leben führen können, bei dem es uns an nichts fehlt?
Dr. Klaus Renoldner erklärt es in seinem TRIPLE BENEFIT PRINCIPLE.

Der Anfang

Ich wurde am 4. April 1949 in Oberösterreich geboren, studierte Medizin, Psychologie, Ethnologie und Kunstgeschichte. Als Arzt arbeitet er in Afrika, Lateinamerika und Österreich. Bereits in den 80-er Jahren lebte er in einem von Öl, Gas und Kohle freien Haushalt und ernährte sich weitgehend fleischlos - hier war er also bereits auf einem guten Weg zu einem nachhaltigen Lebensstil. Doch sein Mobilitätsverhalten als Landarzt mit 30.000 Autokilometern im Jahr trugen eindeutig zur Umweltbelastung bei. Im Europa der 80-er Jahre war Renolder geschockt, als ihm klar wurde, dass das Problem der Urwaldzerstörung und die ökologischen und klimatischen Folgen für die Welt nur 20% der antropogenen Klimaveränderung ausmachen. 80% kam durch Verbrennung von fossilen Energieträgern zustande. "Das hab ich als eine Herausforderung gesehen!", erklärt Renoldner in einem Interview 2018.

Umstieg auf´s Fahrrad 

Klaus Renoldner stieg 1995 als Landarzt im Waldviertel auf das Fahrrad als primäres Verkehrsmittel um und weitete den ökologischen Lebensstil auf immer mehr Lebensbereiche aus. Heute hat er seinen persönlichen Energie-Break-Even erreicht, stellt also mehr erneuerbare Energie bereit als er insgesamt an Energie verbraucht. Um es auch anderen zu ermöglichen, ein nachhaltiges Leben mit kleinem ökologischen Fußabdruck zu führen, hat Renoldner das Modell des Triple-Benefit-Principle entwickelt, das zeigen will, wie der Einzelne seinen Lebensstil nachhaltig gestalten und davon auch persönlich profitieren kann.

Heute unterrichtet Renoldner u.a. an der FH Joanneum , an der Modul Universität Wien und spricht als Gastredner über Nachhaltigkeit, Gesundheit und Abrüstung.
Wie seine Patienten auf den radelnden Landarzt reagiert haben und ob sein Nachfolger seinem Vorbild gefolgt ist, das erzählte er im Faahrrad-Podcast des Drahtesels: "Reich durch Radeln". 

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Das Interview zum Nachlesen

Klaus, du bist mit dem Fahrrad da?

Ich habe mein Faltrad dabei, ja. Ich fahre in den letzten Jahren überwiegend mit dem Faltrad, weil es praktisch ist, da ich Bahnstrecken dabei habe und da das Faltrad einfach zusammen klappe und keine Reservierung brauche im Zug. 
Mein Hauptwohnsitz ist in Horn, Niederösterreich. Gemeindearzt war ich in Neupölla. Meine tägliche Strecke zum Arbeitsplatz waren damals also 17 km, die habe ich mit dem Tourenrad zurückgelegt.

Du warst 29 Jahre lang der Gemeindearzt in Pölla und hast alle Besuche mit dem Rad gemacht?

Ja, vor allem nach 1995, wo ich mir zum Ziel gesetzt habe, dass ich wirklich umsteigen will, weil mir dir Problematik des fossilen Lebensstils bewusst geworden ist. Meine Frau und ich haben dann bald privat auch kein Auto mehr verwendet. Beruflich brauchte ich ein Auto bereitstehend für dringende Notfälle. Ich habe dann vielerlei Logistiken entwickelt, um alles transportieren zu können und überall rechtzeitig zu sein. Zum Beispiel habe ich die Standard-Visiten relativ Früh zu Mittag gemacht, sobald ich mit der Ordination fertig war, während die Ordinationshilfe, die noch da war, im Notfall ins Auto gesprungen ist und mich dort abgeholt hat, wo ich gerade war. Ich hatte ein normales Tourenrad mit Taschen und Korb. 

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Klaus Renoldner unterwegs mit dem Rad

Hat das Patienten überrascht?

Ja, das schon, aber die Leute haben sich schnell daran gewöhnt. Ich glaube, es ist eher so die allgemeine Meinung, dass der Arzt mit einem großen Auto als Statussymbol daher kommen soll. Ich hab mich da sehr schnell durchgesetzt und ich denke, den Leuten war wichtiger, dass ich ein guter Arzt war und nicht, dass ich mit einem großen Auto daher gekommen bin. Ich war dann natürlich bald als der radelnde Landarzt bekannt und für die Leute wurde das dort zur Selbstverständlichkeit. Begriffen haben sie es erst sehr langsam. Die sportliche Aktivität als positiv zu sehen, ist leicht möglich. „Der fährt gern mit dem Rad, weil das ist gesund“. Die ökologischen Zusammenhänge oder auch die wirtschaftlichen, globalen Zusammenhänge zusehen, das erfordert ein tieferes Denken und das ist erst so im Laufe der Zeit gekommen. 

Haben dann Leute bei dir im Dorf auch umgesattelt auf´s Radfahren?

Nicht alle, aber doch einige. Was mich besonders freute: Eine ältere Frau kaufte sich ein Elektro-Fahrrad und fuhr 17 km nach Horn zum Einkaufen.

Was hat deine Nachhaltigkeits-Wende eingeläutet?

Meine wesentlichen Lehrjahre waren sicher von 1977 bis 1982 in Lateinamerika, wo ich den Effekt der Zerstörung von weitem Urwaldland (Anpflanzen von Soja als Viehfutter für Nordamerika und Europa) aus nächster Nähe kennen gelernt habe. Damals war ich als Arzt in einem integrierten Entwicklungsprojekt, dessen Ziel es war, die indianischen Minderheiten zu sichern. 1982 kam ich zurück und begann ein Jahr später als Landarzt zu arbeiten. Das Haus, das man mir zur Verfügung stellte, baute ich immer mehr so um, dass es nachhaltig war. Damals hatte noch keine Konferenz zum Klimaschutz stattgefunden. Das Aussterben der Vögel durch Pestizide war bekannt, die Urwaldrohdung auch, aber es gab noch nicht einmal das Prinzip des ökologischen Fußabdrucks (entwickelt von William E. Rees und Mathis Wackernagel). Für exakte Berechnungen des CO2 Fußabdrucks musste man sich mit Chemie befassen und sich das ausrechnen. Ich bin dann drauf gekommen, dass meine größte CO2 Sünde das Auto war. Man muss zu jedem Liter Benzin, der in einem Fahrzeug verbrannt wird, 10, 15, manchmal sogar 20 Prozent dazurechnen für alle Vor-Prozesse vom Bohrturm bis zur Tankstelle. Als Landarzt kam ich nicht ganz ohne Auto aus. Aber am Tag nach meiner Pensionierung im Herbst 2011 habe ich es verkauft, mit einem guten Gefühl der Erleichterung. 

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Klaus Renoldners Passivhaus 

Wie hältst du es mit dem Fliegen?

Das versuche ich absolut zu vermeiden, da gibt es einige lustige Geschichten zu erzählen. Nach meiner Pensionierung habe ich noch nachhaltige Entwicklung studiert. Nach dem Abschluss bin ich dann mit einem Container-Schiff in die USA gereist, um die Columbian University zu besuchen.  Die verschmutzen zwar auch das Meer, aber es gibt da eine spannende Quizfrage, die ich meinen Studenten gern stelle:
1kg Faitrade Café wird von Zentralamerika mit einem Containerschiff in den Hafen nach Rotterdam transportiert. Das sind 10.000 km. Anschließend 1.000 km mit einem großen Lastwagen nach Österreich gebracht und in kleinere Einheiten zum Verkauf aufgeteilt. Dann fahren Sie mit dem Auto in das 5 km entfernte hin und zurück, um dieses eine Kilogramm zu kaufen. Auf allen drei Strecken zusammen werden 2260 g CO2 emitiert. Ich sage nicht, wie viele Anteile auf das Schiff, den Lastwagen und das Auto fallen. Raten Sie! 

Wir tippen darauf, dass das Auto das meiste CO2 ausstößt. 

Richtig! 10 km Auto macht brutto 2.000 g CO2.
Das ist der große Irrtum, der in vielen Köpfen steckt! Man muss auf die Verhältnisse schauen. Ich bin kein Mensch, der sagt, es sollen noch mehr Güter auf Containerschiffen durch die Welt befördert werden, aber der viel größere Schaden ist der, den wir mit unseren kleinen Autos anrichten. 

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Auch den Müll schaff Klaus Renoldner mit dem Fahrrad weg

Du hast auch gesagt, es wäre wichtig, in Sachen Mobilitätsverhalten mehr Kreativität walten zu lassen. 

Ja, damit sind wir eigentlich beim Prinzip der dreifachen Entlastung oder bei dem, was ich dann Triple Benefit Principle genannt habe. Man kann weitgehend auf das Auto verzichten und den Autoverkehr stark reduzieren, aber es ist eine große Hirnherausforderung. Ich muss eine neue Logistik und Organisation meiner Arbeit und meiner Wege erfinden. Die Menschen können sich das nicht vorstellen, man muss da sehr praktisch heran gehen. Ich hab immer wieder das Erlebnis gehabt, dass es Leute probiert haben und entdeckt haben, wie angenehm das ist und gesagt haben „Das ist leiwand, wenn ich in der Früh schon meine Bewegung mache, wenn ich in die Arbeit fahre und danach geh ich einkaufen – und in zwei Packtaschen bekomme ich locker alle Sachen, die ich brauche, unter und nach Hause. Das ist ein großes Erfolgserlebnis. Darum würde ich nicht zu sehr diesen zitierten Schweinehund herbemühen sondern sagen, es kommt auf dieses positive Erlebnis an. Ich möchte Leute dort hin führen, wo sie das genießen- Und ich freue mich jedesmal, wenn ich so eine Rückbestätigung bekomme. 

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Klaus Renoldner mit den Interviewerinnen Isabella Klebinger und Magdalena Jöchler. 

Was genau ist das Triple Benefit Principle?

Wir können durch einige clevere Entscheidungen unseren persönlichen Carbon footprint, bzw. unseren CO2 Ausstoß pro Kopf deutlich reduzieren. Im Wohnen, durch diverse Energiesparmaßnahmen (z.B. technische Isolierungen), in der Ernährung - weitgehend fleischlos und natürlich durch lokale, regionale, saisonale Kost. Und dann kommt die Mobilität: Wir müssen einmal wirklich kritisch analysieren, ob wir wirklich ein Auto brauchen und vor allem können wir ja unsere Gesundheit ohne Auto zu einem großen Teil verbessern. Wie man ja auch bei der WHO seit 2011 berechnen kann, sind die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Vorteile enorm, wenn wir die Leute dazu bewegen, dass sie regelmäßig mit dem Rad in die Arbeit und wieder nach Hause fahren. Ich habe dann selber weiter Berechnungen angestellt und raus gefunden: Wenn ich bis zu einer Stunde täglich in zügiger Bewegung bin, kann ich die gesundheitlichen Effekte deutlich in die Höhe treiben. 

Wie ist das mit dem Geld?

Man erspart sich bei so einem Lebensstil ja auch eine Menge Geld. Vielen ist das gar nicht bewusst. Was macht man dann damit? Wenn ich dieses Geld für eine Extraurlaubsreise, vielleicht sogar noch mit dem Flugzeug, verwende oder für Luxusgüter, die unter hohem Energieaufwand erzeugt worden sind, dann mache ich genau das kaputt, was ich hergestellt habe. 
Ich empfehle, das Geld in eine sinnvolle Energiewende zu investieren. Das heißt in Maßnahmen, die wiederum den fossilen Energieverbrauch reduzieren. Zum Beispiel in die Isolierung eines Hauses oder einer Wohnung, oder in eine bessere Heizung, aber auch in nachhaltige Projekte investieren (Photovoltaik, Wasserkraft, Windkraft,…) oder in Entwicklungsprojekte.
Man kommt dann nach etlichen Jahren – bei mir waren es in etwa zehn – zum persönlichen Energiewendepunkt. Da war ich in der Lage, der allgemeinen Öffentlichkeit, durch meine Anteile an erneuerbarer Energie, so viel Energie zur Verfügung zu stellen, wie ich brutto verbrauche.

Hattest du das Gefühl, auf irgendetwas zu verzichten?

Nein, verzichten würde ich nicht sagen. Vermeiden – das Wort verwende ich gerne. Ich war eher stolz darauf, wieder eine neue Finte entwickelt zu haben. Bei der Gelegenheit kann ich vielleicht sagen, dass meine Frau und ich seitdem wir uns kennen fast alle Urlaube nur mit Fahrrad und Bahn gemacht haben. Wir haben fast alle europäischen Länder mit dem Fahrrad bereist. 

Du hast dich ja auch sehr stark gegen Atomenergie eingesetzt. Würdest du dich als Hippie bezeichnen? 

Nein, ich bin nie ein Hippie gewesen.

In unserer Wahrnehmung bist du nahe dran, an dem Reichtum, um den es in dieser Sendung geht.

Der eigentliche Reichtum ist glaube ich schon der Genuss an Lebensqualität. Ich bin in wenigen Wochen 70 und fühle mich topfit. 

Interview:  Isabella Klebinger und Magdalena Jöchler für den Fahrrad Podcast Reich durch Radeln

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Weiterführende Links

  • Klaus Renoldner macht Workshops zu diesen Themen und kommt gerne in Ihre Gegend. Seine Homepage mit allen Terminen und Kontaktmöglichkeiten finden Sie hier
  • In diesem Kurzfilm wird das Triple Benefit Principle kurz und knackig erklärt.
  • Sie wollen wissen, was Sie besser machen können? Hier gibt es den kostenlosen CO2-Rechner. 
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