Last Exit Katowice

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Der Weltklimarat veröffentlichte vor Kurzem einen Befund, wonach die aktuellen Pläne zur Erreichung der Klimaziele nicht ausreichen, um die globale Erwärmung in einem stabilen, niedrigen Rahmen zu halten. Diese Erderwärmung sollte unter zwei Grad Celsius bleiben, eigentlich die eineinhalb Grad Celsius nicht überschreiten, damit die Folgen der Klimaveränderungen noch beherrschbar sind. Doch der weltweite Treibhausgasausstoß steigt in Österreich seit zwei Jahren wieder an. Was braucht es also für eine effiziente Klimapolitik? 

Klartext

Im RadioKulturhaus in Wien findet einmal im Monat unter dem Namen „Klartext“ eine einstündige Diskussionssendung zu aktuellen politischen, wirtschaftliche und gesellschaftlichen Themen statt. Diese soll einen Beitrag zur Förderung der Debattenkultur im Lande darstellen. Kurz vor dem UNO-Klimagipfel in Katowice (Polen) lud Klaus Webhofer in "Klartext" folgende Gäste zur Diskussion:

  • Elisabeth Köstinger, Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus (ÖVP)
  • Johannes Rauch, Landesrat für Umwelt, Klimaschutz und öffentlichen Verkehr (Die Grünen)
  • Hans-Peter Hutter, Umweltmediziner
  • Sigrid Stagl, Ökonomin

Die Radlobby fasst hier die wichtigsten Punkte zusammen. 

Alarmstufe rot

Klimaexperten schlagen Alarm: Nur mit radikalen und schnell einsetzbaren Veränderungen ist noch etwas zu machen, um das Klima-Ziel zu erreichen, müssen die Klimaschutzstrategien verdreifacht werden, um die Erderwärmung auf die 1,5 Grad zu begrenzen, braucht es die fünffachen Anstrengungen. Es braucht ein energisches Auftreten der Politik, um hier etwas zu verändern. 

Vor einem halben Jahr hat die Regierung eine Klima- und Energiestrategie erarbeitet, bis Jahresende müssen der EU konkrete Pläne vorgelegt werden, wie die Treibhausgase reduziert werden sollen - bis 2030 müssen es 36 Prozent weniger sein. 
Wenn man sich die Bemühungen ansieht, gewinnt man schnell den Eindruck, dass die Klimastrategie von der Politik nicht als das drängendste Problem wahr genommen wird. Die Warnungen der UNO und aller Wissenschaftler sind keinesfalls übertrieben, beteuert Elisabeth Köstinger, schließlich seien die Auswirkungen ja auch überall spürbar. Dennoch merkt man kaum politische Aktivitäten, Österreich ist massiv säumig, was die Einhaltung der Ziele angeht. „Wenn wir so weitermachen, fahren wir den Wagen an die Wand“ erkennt Johannes Rauch. 

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Verkehr: Trend in falsche Richtung

A pro pos Wagen: Ökonomin Sigrid Stagl erklärt, es müsse eine Kostenwahrheit geben. Beim Verkehr gehe der Trend in die ganz falsche Richtung, es werde fast nur fossile Energie gebraucht, das Verbot von Verbrennungsmotoren wird in Österreich gar nicht diskutiert. Eine Verhaltensänderungen ist notwendig, denn die Politik wird auch teilweise von der Bevölkerung getrieben. 
Sigird Stagl weiß: "Das selbe zu tun, was wir bisher tun, und es mit anderen Technologien herstellen, wird nicht funktionieren. Es braucht sowas wie verschrenkte Mobilität. Man darf nicht mehr in Gütern denken, sondern in Funktionalitäten und Diensten. So kann man kluge Kombinationsmöglichkeiten bzw. Reduktionsmöglichkeiten schaffen und diese bestmöglich nutzen". 

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Regressiver Wirkung entgegenwirken

Viele Energiemaßnahmen haben das Potential, regressiv zu wirken, das heißt, für untere Einkommensschichten wirken sie umso stärker. Das ist nicht wünschenswert und man kann gegensteuern, wenn man die entsprechenden Maßnahmen trifft - eine verstärkte progressive Einkommenssteuer wäre eine davon. Auch aus biophysischer Perspektive ist dies relevant: Auch wenn ältere Autos pro Kilometer eine höhere Emissionen haben, ist es sinnvoller, sie länger zu fahren und kein neues Auto zu kaufen, da die materialgebundene Energie enorm ist. Die Autoflotte so schnell wie möglich auf Elektromobilität umzustellen, ist daher aus ökologischer und sozialer Sicht nicht der beste Weg. 

Forderung nach ökosozialen Steuerreform

Seit rund zwanzig Jahren gibt es das Konzept der ökosozialen Steuerreform: um die Bereiche, die gesellschaftlich wünschenswert sind, zu stärken, werden diese preisgünstiger. Gleichzeitig wird das, was man nicht produzieren möchte, besteuert und teurer, um die wahren Kosten abzubilden. So schafft man einen sozialen und wirtschaftlichen Vorteil. 

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Klimaschädliche Konventionen müssen beseitigt werden, die Förderbudgets im Umweltbereich dürfen nicht zurück gefahren werden. Es braucht bundespolitische Rahmenbedingungen, doch die wird den Ländern laut Landesrat Rauch nicht gegeben. Er wendet sich konkret an die Umweltministerin „Bitte helfen Sie uns mit einer ökosozialen Steuerreform und mit der Gesetzgebung auf Bundesebene! Wir sind im Land auf verlorenem Posten. Wir können die Verkehrswende nicht hinbekommen, wenn Sie nicht bereit sind, sich auf Bundesebene auch hinzustellen und das zu machen. Was Sie brauchen, das haben Sie bei Ihrem internationalen Klimaplan versäumt. Sie brauchen die Bevölkerung mit dabei!“. 

440 Mio Euro für ÖV und Radverkehr

Klimaschutz muss eine Mitmachbewegung werden, dazu muss man die Menschen beim Umstieg unterstützen, aber auch Rahmenbedingungen schaffen, die nicht nur den einzelnen in die Pflicht nehmen. Länder müssen beispielsweise in ihrem Bemühen finanziell unterstützt werden. Es gilt, das Angebot zu schaffen, um die Nachfrage zu bekommen. Beim Versprechen der Bundesministerin Köstinger, den Ländern mehr Geld für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs und des Radverkehrs zukommen zu lassen, um damit den Umstieg überhaupt zu ermöglichen, drängt Landesrat Rauch auf dringende Umsetzung. Sein Vorschlag für die Finanzierung lautet: Zehn Prozent der jährlichen Mineralölsteuereinnahmen werden zweckgewidmet - genau dafür. Damit stünde ein jährliches Budget von 440 Millionen Euro für den öffentlichen Verkehr und den Radverkehr bereit. Diese Summe beträgt das Zehnfache der bisherigen nationalen Radverkehrsinvestitionen und in etwa jener Größenordnung, welche die Radlobby Österreich als notwendig erachtet. 

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Sigrid Stagl erklärt: „Es braucht eine hohe Besteuerung der fossilen Energieträger, gleichzeitig muss man die Infrastruktur dementsprechend verändern – sowohl die technische Infrastruktur als auch den Diskurs. Man muss weg kommen davon, darüber zu reden, wie problematisch und schwierig Klimaschutz sei, und hin zu einer befähigenden Rhetorik des Klimaschutzes kommen, wo es nicht nur darum geht, dass jeder einzelne etwas tun muss.“
Ein Umdenken funktioniert besser, wenn man die Lust an Nachhaltigkeit weckt und sie mit der dementsprechenden Infrastruktur unterstützt. Ein nachhaltiges Handeln muss leicht und kostengünstig sein.

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Autofreie Stadt: Essen demonstriert, wie es gehen könnte. 

Auto stehen lassen können 

Menschen müssen die Freiheit und die Rahmenbedingungen haben, das Auto stehen zu lassen. Dazu braucht es:

  • Besseren Öffentlichen Verkehr (Bahn im 15-minuten-Takt, Busverkehr auch in die Talschaften hinein)
  • Fahrradanbgebot
  • Abstellplätze
  • Bahnhöfe als Mobilitätsdrehscheiben

Der emotionale Wert eines Autos ist in der Gesellschaft nach wie vor tief verankert – das zu ändern, ist ein schwieriger Prozess. Hier hat die Politik Signalwirkung: 140 auf der Autobahn ist ein sehr schlechtes Vorbild! 

Das Mobilitätsverhalten sowie das Konsumverhalten jedes einzelnen muss geändert werden. Nicht nur, wie wir uns fortbewegen, auch was wir essen, wie wir uns kleiden oder wie wir Energie konsumieren, spielt eine Rolle. (Zum Thema "Green Clothing" finden Sie einen ausführlichen Bericht inklusive Test im aktuellen Drahtesel). 

Große Hebel jetzt in Gang setzen

Drei wichtige Punkte für eine bessere Klimastrategie:

  • Ökologische Steuerreform
  • Begleitende soziale Maßnahmen
  • Öffentliche Investitionen

Große Hebel müssen jetzt in Gang gesetzt werden. Dazu braucht es eine ökologische Steuerreform (nicht erneuerbaren Energien müssen massiv besteuert werden), der Faktor Arbeit muss entlastet werden und Rahmenbedingungen geschaffen werden, um Verhaltensveränderungen herbei zu führen - Zehn Prozent der jährlichen Mineralölsteuereinnahmen sollen dem Öffentlichen Verkehr und dem Radverkehr zweckgewidmet werden. Wenn schon nicht aus Umweltgründen, dann zumindest aus ökonomischen Gründen. Wenn die Klimaziele nicht erreicht werden, richtet Österreich bis 2050 jährliche Klimschäden in der Höhe von 8 Milliarden Euro an. Die Kosten des Nicht-Handelns sind also deutlich höher als jene des Handelns.