Verkehrswende: Ein Lösungsansatz

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Klimaschutzbewegung und Verkehrsforschung beschwören die Verkehrswende. Doch zu viele Menschen fahren weiterhin mit dem Auto. Wie lässt sich eine Verhaltensänderung von großen Teilen der Gesellschaft herbeiführen? Ein Lösungsansatz. 

Mobiler Mix

Wenn man sich mit Verkehrsforscherinnen und -forschern unterhält, sind sich diese weitgehend einig: Die Mobilität der Zukunft ist durch einen intelligenten Verkehrsmittelmix geprägt, bei dem klimaneutrale Verkehrsmittel so miteinander kombiniert werden, dass Mobilität weitgehend ohne private Autos auskommt. Einigkeit besteht auch darüber, dass diese Verkehrswende, die für die Lebensqualität in den Städten wie für das Klima des Planeten gleichermaßen wichtig ist, nur dann stattfinden wird, wenn eine signifikante Anzahl von Menschen ihr Verhalten grundlegend ändert.

Problem dabei: Der Widerstand gegen Neues und Unbekanntes ist oft groß. Zudem ist individuelle Automobilität als soziale Norm nach wie vor tief verwurzelt – was nicht zuletzt auch an der Automobil-Industrie liegt, die unter massivem Einsatz von Werbemitteln den Narrativ von der individuellen Freiheit, Stärke und Attraktivität durch das Automobil wieder und wieder aufs Neue erzählt.

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Was braucht es also, damit Menschen ihre Gewohnheiten ändern? Die Publikation Impulse für Kommunikationskampagnen zum Behaviour Change von AGORA liefert interessante Erklärungsansätze.

Neue Bilder

Ein zentraler Gedanke aus der Publikation: Planerische Rahmenbedingungen wie Infrastruktur, zeitgemäße Gesetze, Steuern und technische Innovationen als attraktive Angebote für eine klimafreundlichere Mobilität reichen allein nicht aus. Alle Maßnahmen müssen von den Verkehrsteilnehmenden auch angenommen werden.

Grund: Für das Entscheidungsverhalten sind emotionale Aspekte zentral, denn 80 Prozent unseres Denkens geschieht unbewusst. Fakten und Argumente prallen an uns ab, wenn sie nicht gut kommuniziert werden, das heißt: die emotionalen Aspekte außer Acht lassen. Nur, wenn wir uns in den Werten und Narrativen der Zukunftsmobilität wiederfinden, werden wir Interesse daran haben, Teil von ihr zu sein.

Lösungsansatz ist eine Kommunikation, oder präziser: eine passende Erzählung, die die entscheidenden emotionalen Aspekte anspricht. Das geschieht über sogenanntes Framing, also die Einbettung in einen bestimmten Rahmen, der Mobilität umdeutet und neue Bilder, Vorstellungen und Geschichten erschafft. Durch dieses sogenannte Reframing, also das Schaffen von neuen, positiv besetzten Bedeutungszusammenhängen und das Unterstützen neuer Werthaltungen, können neue, klimafreundliche Mobilitätsleitbilder kommuniziert werden.

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Erklärungsansätze

Um Verhaltensänderungen zu erzielen, ist es wichtig zu verstehen, welche Motive im Spiel sind. Die wichtigsten Erklärungen kommen aus der Verhaltens- und Sozialpsychologie sowie der Soziologie. In der Publikation werden einige davon aufgearbeitet.

  • Nutzenoptimierung: Unser Verhalten ist zielgerichtet und wird durch Präferenzen und Ziele beeinflusst. Man muss also immer auch den Nutzen kommunizieren, den ein Verkehrsmittel wie etwa das Fahrrad bietet. Dabei ist zu bedenken: Nutzenorientierte Argumente sind rational. Vermitteln lassen sie sich aber am besten durch emotionale Ansprache und in eine gute Geschichte verpackt.
     
  • Bewusstsein vs. Handeln: Es gibt eine klare Diskrepanz zwischen Bewusstsein und Handeln. Umweltbewusstsein wird – so die These der Publikation – nur dann in Verhalten umgesetzt, wenn der Aufwand dafür niedrig ist. Für Angebote, die auf eine Verhaltensänderung zielen, gilt demnach: Das veränderte Mobilitätsverhalten darf nicht zu aufwändig sein. Weder monetär, noch im Hinblick auf Organisations- oder Zeitaufwand.
     
  • Framing: Frames strukturieren die Wahrnehmung der Realität auf eine bestimmte Weise und beeinflussen, welche Informationen bei der angesprochenen Zielgruppe hängen bleiben. Im Verkehrsbereich gibt es zahlreiche Beispiele für die Veränderung von Frames. In der Nachkriegszeit etwa stand das Fahrrad  als Fortbewegungsmittel der Arbeiterschicht für die Phase, in der man sich das Statussymbol Auto noch nicht leisten konnte.
    Aus Sicht von Organisationen, die sich für eine Verkehrswende einsetzen, gilt es, neue, fortschrittliche Frames zu schaffen: das Fahrrad als Verkehrsmittel ist zukunftsweisend, zeitgemäß und angesagt, der Individualverkehr mit dem eigenen Pkw alt, gefährlich und verstaubt. Die erfolgreiche Signalisierung von Modernität und sozialer Zugehörigkeit kann dazu führen, dass Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer ihr Verhalten selbst dann ändern, wenn damit ein höherer Aufwand verbunden ist. Denn soziale Zugehörigkeit und Anerkennung gehören zu den Grundbedürfnissen des Menschen – entsprechend hoch ist ihr subjektiver Nutzen.
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  • Nudging (wörtlich übersetzt: jemanden anstupsen oder sanft in eine Richtung schieben) bedeutet das Anstoßen von Verhaltensänderungen durch zum Teil unbemerkte Interventionen: Verhaltensänderung vollzieht sich, ohne dass sich Einstellungen oder Absichten ändern müssen. Die Verhaltensveränderung findet hier durch eine Veränderung des Umfelds statt. Im Grunde ist jede Verkehrsinfrastruktur ein Nudge, denn sie beeinflusst das Verhalten. Kostenlose Kfz-Parkplätze und ein Ausbau von Straßen erzeugen zusätzlichen Autoverkehr. Ist Autofahren jedoch teurer, umständlicher und unangenehmer als Radfahren, sieht die Sache anders aus. Wenn es einfacher, sicherer und schneller ist, mit dem Fahrrad zu fahren, tun das auch mehr Menschen - Vorzeigeländer wie die Niederlande beweisen das.

Motivation reicht nicht

Drei zentrale Dimensionen wirken auf unser individuelles Verhalten: Fähigkeit, Gelegenheit und Motivation. Neues Verhalten setzt entsprechende Fähigkeiten voraus: Wer nicht Fahrrad fahren kann, wird es auch nicht als Verkehrsmittel nutzen. Wer sein Verhalten ändern will, ist auf eine Umgebung angewiesen, die dies ermöglicht und unterstützt. Und: Neues Verhalten braucht einen positiven Antrieb. Nur wenn alle drei Faktoren zusammenkommen, besteht die Aussicht zu einer dauerhaften Verhaltensänderung. Die Kommunikation über nachhaltige Mobilität sollte folglich immer in praktische Maßnahmen eingebettet sein oder in einem Umfeld stattfinden, in dem bereits gute objektive Bedingungen herrschen.

Es gilt also, Verhaltensintentionen durch attraktive Anreize zu stärken. Aktionen wie das Jobrad-Modell, bei dem Unternehmen MitarbeiterInnen zu attraktiven Bedingungen ein alltagstaugliches Dienstfahrrad zur Verfügung stellen, sind dafür ein gutes Beispiele: Je mehr Unternehmen und die klimaschonende Variante befürworten und nutzen, umso eher entsteht daraus eine neue soziale Norm, die an die Stelle der Dienstwagen-Norm tritt.

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Fazit

Verhaltensänderungen müssen einfach zu bewerkstelligen und kostengünstig sein, sie müssen aber vor allem eines schaffen: Die Bedürfnisse der Menschen erfüllen. Nur, wenn der persönliche Nutzen einer Verhaltensänderung deutlich erkennbar und erlebbar ist, werde ich motiviert sein, sie anzugehen. Es braucht daher kommunikative Maßnahmen, die Nutzen und Emotion verknüpfen - zum Beispiel das objektiv schnelle, preiswerte, gesunde, umweltfreundliche Fahrradfahren mit der besonderen Symbolik einer Stadt, des Zeitgeistes und des Lebensstils zu rahmen.

Außerdem wichtig: Es ist zweckmäßiger, mehrere gut erreichbare, naheliegende Teilziele zu setzen – zum Beispiel 30 Euro Radverkehrsbudget pro Einwohner und Jahr in Österreich. Die Verkehrswende ist für alle ein individueller Gewinn – und als solcher muss sie auch verstanden werden.

Quelle: Drahtesel