Zählstellen zeigten 2016 nach unten

Zählstelle Körösistraße: Ein Minus von fast 15 % gegenüber 2015

Gar nicht erfreulich sind die Daten, die von den automatischen Zählstellen in Graz für 2016 ausgespuckt wurden: An den vier Messpunkten wurden übers Jahr an Werktagen 6 bis 15 % weniger RadlerInnen verzeichnet.

Das Minus gegenüber 2015 ist nicht eklatant, aber durchgängig: An allen automatischen Messtationen - Keplerbrücke, Körösistraße, Stadtpark/Glacis, Bertha-von-Suttner-Brücke West - waren weniger RadlerInnen unterwegs. Am höchsten lag die Abnahme der durchschnittlichen täglichen Verkehrsstärke in der Körösistraße mit 3.050 RadlerInnen (nach 3.500), d.s. knapp minus 15 %. Auch an der absolut stärksten Zählstelle Keplerbrücke gab es mit 4.450 RadlerInnen (nach 4.800) knapp acht Prozent weniger.

Die in den Werten deutlich niedriger liegenden Wochenenden zeigten ebenfalls durchwegs Rückgänge. Eine detaillierte Analyse, etwa nach Monaten und Jahreszeiten, liegt noch nicht vor, daher ist es auch Spekulation, die Einbußen auf ein im Schnitt weniger radfahrfreundliches Wetter zurückzuführen. Auch durch anders gelenkte Verkehrsströme etwa durch Baustellen lässt sich der Einbruch nicht erklären, nicht einmal jene auf der Keplerbrücke durch den sommerlichen Umbau der Wickenburggasse. Insgesamt fiel man jedenfalls im vom Radverkehrsbeauftragten zur Verfügung gestellten Vierjahresvergleich auf die Werte von 2013 zurück, teilweise sogar hinter diese zurück.

Alarmsignal
Für die Radverkehrspolitik sollten diese Daten auf jeden Fall ein Alarmzeichen sein. Das schlechte Ergebnis der KONTIV-Ergebung 2013 - der mit dem Fahrrad zurückgelegte Anteil der von GrazerInnen zurückgelegten Wege war im Fünf-Jahres-Schritt von 16,1 auf 14,5 Prozent gesunken - hatte man noch mit dem starken Zuzug in den Randgebieten und der dort noch wenig ausgebauter Radinfrastruktur erklärt -, doch sind die aktuell im Zentrum bzw. zentrumsnahe erhobenen Zahlen so jedenfalls nicht zu argumentieren. Es muss also andere Gründe geben, und es wäre interessant, diese zu kennen - nicht zuletzt deshalb, weil sich die Stadt in ihrer Mobilitätsstrategie das Ziel gesetzt hat, bis 2020 auf einen Radverkehrsanteil auf 20 Prozent zu kommen.     
 


Zuspitzung in Gratis-Zeitung: "Abgestiegen!"
Die wenig erfreulichen Daten wurden auch medial aufgegriffen, zumindest von der Gratis-Zeitung "derGrazer". Hier wurde auf der Titelseite kräftig zugespitzt: "Abgestiegen! Zahl der Radler geht in Graz zurück".

Wenn die Reaktion aus dem Büro von Verkehrsstadtrat Mario Eustacchio wirklich so ausfiel, wie in dem Artikel wiedergegeben, darf das negative Ergebnis nicht weiter verwundern: "Wenn die Leute lieber mit dem Auto fahren als mit dem Rad, kann die Politik auch nichts machen." Da stellt sich schon die Frage: Wozu leisten wir dann überhaupt Verkehrspolitik?

Vom "Grazer" wurde das schriftlich geführte Interview mit Radlobby ARGUS Steiermark-Vorstandsmitglied Wolfgang Wehap bruchstückhaft und dramatisierend ("Radlobby schreit auf", "...ist fuchsteufelswild") in den Artikel eingebaut, daher hier die vollständige Wiedergabe:

Ich habe von den niedrigen Radverkehrszahlen im Jahr 2016 gelesen und hätte dazu ein paar Fragen - würde mich freuen, wenn mir die jemand von Ihnen beantworten könnte. Warum sind 2016 weniger Leute mit dem Rad gefahren? Liegt das etwa an der Zählstelle Keplerbrücke, wo es ja sehr lange eine Baustelle gab? Hat das Wetter nicht gepasst? Oder haben sich die Bedingungen für Radfahrer verschlechtert?

Wir waren auch überrascht, weil wir nach eigenen Beobachtungen eher mit einer Zunahme gerechnet hätten. Über die Gründe kann man nur spekulieren: zum einen waren es vielleicht baustellenbedingte Routenänderungen (Wickenburggasse/ Keplerbrücke), zum anderen möglicherweise auch im Schnitt weniger radlerfreundliche Witterungsbedingungen. Aber selbst wenn die Frequenzen gleichbleiben, muss es zu denken, zumal das Ziel ja mehr Radverkehr ist.     

Was müsste seitens der Politik passieren damit die Zahl bzw. der Prozentsatz wieder steigt? Welche konkreten Maßnahmen wären da zielführend? Was würde die Stadt für Radfahrer attraktiver machen?

Notwendig wäre ein Bündel aus Infrastruktur und Attraktivierungsmaßnahmen. Da fehlt es an einem Gesamtkonzept. Der Umbau der Wickenburggasse war zwar super - aber nur ein erster Schritt. Ähnliche Lösungen weiter in der Keplerstraße, am Ring, nach St. Peter oder überhaupt ein brauchbares Angebot für das Gebiet nördlich des Hauptbahnhofs (Kalvariengürtel - Peter-Tunner-Gasse - Smart City) sind gefragt. Da geht es um Durchgängigkeit, Engmaschigkeit, Qualität und Sicherheit. Oder auch um radfreundlichere Ampelschaltungen, mehr geschütze Abstellanlagen. Bekennt man sich zu einer Priorisierung, muss man auch den Mut haben, da oder dort Straßenflächen umzuverteilen. Es ist halt zu wenig, wenn die Politik ein Mobilitätsstrategie beschließt, in der als Ziel 20 % Radverkehrsanteil bis 2020 steht - und dann weder ausreichend Mittel noch Engagement einbringt, um das auch zu erreichen. 

Hofft man da etwa auf einen Wechsel im Verkehrsressort der Stadtregierung?
Neuer Schwung wäre jedenfalls wünschenswert.


Warum ist es so wichtig, dass wir in Graz einen hohen Anteil an Fahrradverkehr haben?
Es zeigt sich weltweit, inzwischen auch in großen Städten, das Investitionen in den Radverkehr am effizientesten sind. Gelingt es, mit klugen Maßnahmen, die einen Bruchteil von z.B. dem Südgürtel kosten, mehr Menschen aufs Rad zu bringen, verbessere ich die Luftsituation, brauche weniger Platz und bekomme mehr Lebensqualität für alle. Abgesehen vom Benefit für die eigene Gesundheit durch die körperliche Bewegung.

Wie viel Prozent haben wir derzeit?

14,5 % laut KONTIV-Erhebung 2013. D.h. 14,5 Prozent aller von GrazerInnen zurückgelegten Wege werden mit dem Fahrrad zurückgelegt. Eine Verdoppelung müsste bei optimaler Förderung mittelfristig drinnen sein. Kopenhagen z.B. liegt bei über 31 %, Ziel sind 50 %.

Vielen Dank. Ich freue mich auf die Antworten.

Gerne geschehen.

 

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