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Graz wählt: Bescheidene Perspektiven für mehr Rad
Am 05.02. wählt Graz. Der Wahlkampf ist inhaltlich mau, auch die Verkehrsdebatte, in der der Radverkehr nur eine Nebenrolle spielt. Und alle gehen davon aus, dass es danach so weitergeht wie davor: so la la und ohne große Veränderungen.
Dabei sind die in Beschlüsse gegossenen Ambitionen der Stadtpolitik gar nicht so bescheiden: Laut Leitlinien (2010) soll das Verhältnis zwischen Umweltverbund und Motorisiertem Individualverkehr (MIV) anteilig von 45:55 bis 2021 auf 37:63 Prozent (Modal Split) verändert werden. Dem Radverkehr kommt dabei erhebliche Bedeutung zu: er soll von 14,5 auf 20 Prozent wachsen.
Soweit die hehren Absichtsbekundungen, die mit der tatsächlichen Entwicklung leider wenig gemein haben. Bei der letzten KONTIV-Erhebung 2013 ist der Radverkehrsanteil sogar von 16,1 auf 14,5 Prozent gesunken - die plausibelste Erklärung war, dass die wachsenden Randbezirke stärker autoorientiert sind und hier die Radinfrastruktur nicht Schritt hält. Spätestens 2018, wenn wieder eine Erhebung ansteht, schlägt die Stunde der Wahrheit, ob es sich um einen einmaligen Ausreißer einer seit Jahrzehnten Aufwärtskurve handelt oder die Ziele für 2020 endgültig ins Reich der Fabeln und Chimären abgeschrieben werden können.
Von wegen blaues Wunder
Nicht, dass nichts passiert. Wetzelsdorfer Straße, Wickenburggasse, Eggenbergergürtel, Andritzbach - um einige positive Neubauprojekte zu nennen. In Graz lässt es sich durchaus leben und radeln. Doch es sind vereinzelte Maßnahmen, die umgesetzt werden, hier ein Lückenschluss, da ein Hochwasserschutz-Begleitprojekt. Für wirklich große Würfe wie eine Lösung für den Innenstadt-Ring, für die St. Peter-Erschließung oder die Ödnis nördlich des Hauptbahnhofes (Peter-Tunner-Gasse, Kalvariengürtel, Wiener Straße) oder wenigstens die konsequente Weiterentwicklung von großen Wurfansätzen, siehe Achse Wickenburggasse - Keplerstraße, fehlen Mut und auch Willen. Auch wenn Verkehrsplanung und Straßenamt brav an der Abwicklung von dem einen oder anderen Projekt arbeiten - wenn seitens der Politik keine Vorgaben kommen und kein positiver Druck entwickelt wird, wenn es notwendig ist, auch zu Lasten des MIV, geht's so weiter wie bisher: eben so la la.
Dass das FPÖ-geführte Ressort eher die AutofahrerInnen hätschelt und den Radverkehr nicht als prioritär ansieht, war sofort nach der Übernahme durch Mario Eustacchio Anfang 2013 klar. Nicht, dass davor, unter der Grünen Vizebürgermeisterin Lisa Rücker, das radlerische Paradies ausgebrochen wäre - zu viele geplante Vorhaben scheiterten nicht zuletzt an den Bremsklötzen des Regierungspartners ÖVP - doch die Wende unter Stadtrat EU war doch deutlich: nun standen "Grüne Welle" (für Kfz, versteht sich) und fragwürdige Sicherheitsaktionen im Mittelpunkt, innovative Tools, die seit der letzten StVO-Novelle zur Verfügung stehen (Fahrradstraßen, Begegnungszonen, Aufhebung der Benutzungspflicht von Substandard-Radwegen), wurden mehr oder minder ignoriert und die Bereitschaft, mit den UserInnen, vertreten etwa duch die Radlobby, zusammenzuarbeiten, sank gegen Null. Bestätigt wurde diese Haltung zuletzt vor wenigen Wochen, als Radlobby ARGUS Steiermark-Obfrau Heidi Schmitt in der "Woche" ein Gesamtkonzept für den Radverkehr angeregt hat und Eustacchio wenig konstruktiv konterte: "Ich kann der immer wieder aufflackernden Kritik von Rad-Lobbyisten nichts abgewinnen". Es sei eh alles paletti, ein ganzer Stab an Profis arbeite an der Weiterentwicklung des Radverkehrssystems. Wären da nicht andere Ressorts (und - mit Einschränkungen - das Land), sodass z.B. über Förderaktionen der Lastenrad-Boom mit angestoßen werden konnte, wäre es um den Radvekehr in der ehemaligen "Fahrradhauptstadt" Graz ziemlich schlecht bestellt.
Eher trübe Aussichten
Wie gesagt, der Wahlkampf war inhaltlich schwach und wenig innovativ, wenn was zum Thema Verkehr kam, dann - freilich zurecht - die Forderung, endlich die immer wieder aufgeschobenen Bim-Ausbaupläne zu realisieren. Und nach dem 05.02.? Viel wird sich nicht ändern, geht man davon aus, dass das Verkehrsressort weiter in FPÖ-Händen und der Bürgermeister-Sessel weiter bei der ÖVP bleibt. Die Nagl-ÖVP ist damit zufrieden, wird ihr doch so in Richtung Wirtschaftsbund der Rücken freigehalten, die SPÖ taumelt so und so konzept- und führungslos dahin und die anderen Parteien (KPÖ, Grüne, Piraten, Neos), von denen am ehesten Akzente zu erwarten wären, dürften in Opposition und damit kaum in der Lage sein, hier eine substanzielle Änderung herbeizuführen. So steuern wir mit einem Peu-à-peu-Kurs in Richtung neuer Herausforderungen wie weitere, große Siedlungsprojekte (Smart City, Reininghaus), begleitet von Industrie-Projekten am Stadtrand und einem wuchernden Wachstum im Umland. Und entfernen uns immer weiter vom Ziel, das sich die Politik selbst gesetzt hat, aber schon vergessen zu haben oder zumindest nicht ernst zu nehmen scheint.
Kommentar: Wolfgang Wehap