Mit dem Fahrrad aus dem Lockdown
"Die Berge bleiben mitunter also bis heute der Tellerrand, über den es sich zu blicken lohnen würde", resümierte Christian Willim unter dem Titel "Die Bergstadt, die Weltstadt sein möchte" im Mai 2018 anlässlich der Stichwahl um das Innsbrucker Bürgermeisteramt im Kurier. Zwei Jahre danach, im Mai 2020, ist dieser Blick wieder einmal dringend vonnöten. Da kann man sehen, wie sich andere Weltstädte auf ein absehbares Verkehrsdilemma nach dem Ende des Lockdowns vorbereiten.
Das Dilemma:
Halbleere Öffis und verstopfte Straßen.
Zur nachhaltigen Eindämmung der Pandemie sind Mindestabstände einzuhalten. Das wird sich vor allem in den öffentlichen Verkehrsmitteln nicht so leicht ausgehen. Steigen viele Menschen stattdessen auf das Auto um, ersticken die Städte im Verkehr.
Die Lösung:
Pandemie-resiliente Verkehrsinfrastrukturen.
Berlin zeigt vor, wie es gehen kann. "Wir haben", sagt Felix Weisbrich, Leiter des Straßen- und Grünflächenamtes des Bezirks Berlin Friedrichshain-Kreuzberg, "den Amtsschimmel in den Stall gestellt und das Rennrad rausgeholt". Mehr oder weniger von heute auf morgen wurden auf stark befahrenen Hauptverkehrsstraßen, gesicherte Radfahrstreifen, sogenannte "Popup Bikelanes", errichtet. Die werden, wie diese beiden Tweets zeigen (Tweet1 , Tweet2), freudig angenommen.
Die Anleitung:
Wie sie es gemacht haben, erklären Weisbrich und Peter Broytmann, Mitarbeiter der Koordinierungsstelle Rad- und Fußverkehr der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz des Landes Berlin in diesem Video ab Minute 24:15.
Und damit auch andere Städte davon proftieren können, haben sie ihre Planungsanleitung online gestellt.
Aber Berlin ist nicht allein.
- Die Deutsche Umwelthilfe beantragt Fahrrad-Straßen in 203 Städten. In einer Mitmach-Aktion können Bürger konkrete Fahrrad-Straßen benennen.
- Mailand hat am Mittwoch, dem 29. April, mit der Errichtung 35km neuer Radwege begonnen. Hashtag #StradeAperte - offene Straßen.
- Der Bürgermeister von Montpellier in Frankreich legt bei der Markierung seiner Popup Bikelanes persönlich Hand an.
- Paris sagt "Au Revoir Les Automobiles" und sperrt eine der Hauptverkehrsstraßen, die Rue De Rivoli, für den KfZ Verkehr. Bürgermeisterin Anne Hidalgo plant über den Lockdown hinaus. Bis 11. Mai, dem Tag, ab dem Frankreich wieder langsam zur Normalität zurückkehren will, sollen 650 Kilometer Radwege, darunter viele Popup “Corona Cycleways” bereit stehen.
- In Großbrittannien hat Premierminister Boris Johnson die Bürgermeister der großen Städte dazu aufgerufen, das Radfahren und Fußgehen zu fördern. Und auch der Londoner Bürgermeister setzt auf Transformation hin zu Rad und Fußverkehr.
Dieser kurze Blick über den Tellerrand der heimischen Berge stimmt zuversichtlich, denn das Rezept ist einfach. Es kommt aus Berlin und besteht aus drei Zutaten: "Politischer Wille, verwaltungstechnischer Vollzugswille und eine Markierungsfirma“.
An der Markierungsfirma sollte es nicht scheitern.