Von 16. bis 22. September findet auch heuer wieder die Europäische Mobilitätswoche statt.
Österreichs Bund-Länder-Gemeinden-Übereinkommen zur Förderung des Radverkehrs
Im April fand der 13. Österreichische Radgipfel in Wien statt. VertreterInnen von Bund, Land und Gemeinden kamen mit ExpertInnen aus dem Mobilitätsbereich und der Zivilgesellschaft zusammen, um sich über Rad-relevante Themen auszutauschen. In Zuge des Radgipfels wurde auch das Bund-Länder-Gemeinden-Übereinkommen zur Förderung des Radverkehrs unterzeichnet. Ein politisches Bekenntnis zum Radverkehr und ein Meilenstein zur Mobilitätswende.
10 Punkte
Bisher ist die Radverkehrspolitik Österreichs gezeichnet von unterschiedlichsten Zuständigkeiten und einer zu geringen Ambition in der Steigerung des Radverkehrs. Das beim Radgipfel unterzeichnete Übereinkommen legt erstmal im 21. Jahrhundert den Grundstein dafür, dass zukünftig Bund, Länder und Gemeinden an einem Strang ziehen. Maßgeblich wird jedoch sein, wie konsequent die vereinbarten Formulierungen in den nächsten Wochen und Monaten mit konkreten Maßnahmen gelebt werden. Die Radlobby wird auf Bundesebene, in den Bundesländern und in den Gemeinden genau hinschauen und die Einhaltung der Vereinbarung einfordern.
Das Bund-Länder-Übereinkommen zur Förderung des Radverkehrs gliedert sich in zehn Punkte:
1. Bedürfnisse des Radverkehrs in Raum- und Verkehrsplanung stärker berücksichtigen
Darunter wird die Umsetzung einer Raum- und Verkehrsplanung verstanden, welche bei Vollzug der rechtlichen Bestimmungen und Normen die Bedürfnisse des Radverkehrs bei der Entscheidungsfindung auf allen Ebenen ausgewogen mitberücksichtigt.
Der Wirkungsbereich von Ländern und Gemeinden ermöglicht eine umfangreiche Förderung des Radverkehrs, beispielsweise bei örtlicher Raumplanung oder beim Vollzug der Straßenverkehrsordnung. Die Umsetzung kann jedoch nur dann gelingen, wenn sich auch die örtliche Verkehrspolitik dazu bekennt und in der Raum- und Verkehrsplanung die entsprechenden radverkehrsfreundlichen Entscheidungen trifft.
2. Rechtsrahmen weiterentwickeln, um Radverkehr zu attraktiveren
Regeln und Normen sollten so ausgerichtet sein, dass sie Radfahrenden ein möglichst zügiges, attraktives, sicheres und bevorrangtes Vorankommen ermöglichen. Die drei wesentlichen Regelwerke sind: die Straßenverkehrsordnung (StVO), die Verordnung über Fahrräder, Fahrradanhänger und zugehörige Ausrüstungsgegenstände (Fahrradverordnung) sowie die Richtlinien und Vorschriften für das Straßenwesen (RVS).
Übereinkommen: Wir bekennen uns zu einer weiterführenden Überarbeitung des Rechtsrahmens (StVO, Fahrradverordnung, Bauordnungen, etc.) zur weiteren Berücksichtigung der Bedürfnisse des Radverkehrs. Die Fachgremien (bundesweite Arbeitsgruppe Radverkehr, Unterausschuss Radverkehr) erarbeiten mögliche Maßnahmenvorschläge, die in weiterer Folge einer Prüfung zugeführt und wenn möglich umgesetzt werden sollen.
3. Investitionsbedarf feststellen, um Diskussionsbasis zur Bereitstellung entsprechender Finanzmittel zu schaffen
Damit Österreich die selbstgewählten Ziele aus dem Umwelt-, Verkehrs- und Gesundheitsbereich erreichen kann, braucht es im Verkehr eine klare Trendwende. Aus diesem Grund sind substanzielle Veränderungen notwendig. Neben dem Ausbau eines attraktiven ÖPNV-Angebotes ist eine deutliche Investitionsoffensive in den Radverkehr nötig (Ausbau Infrastruktur, Bewusstseinsbildung etc.). Insbesondere im Hinblick auf eine angestrebte Verdoppelung des Radverkehrsanteils bis 2025 ist eine deutliche Erhöhung der budgetären Mittel für den Radverkehr durch alle Unterzeichnenden notwendig. Nur mit erhöhten Investitionen in den Radverkehr können die gesetzten Ziele im Bereich Umwelt- und Klimaschutz, Verkehr und Gesundheit effizient erreicht werden. Bund, Länder, Gemeinden und Städte bekennen sich dazu, einen signifikanten finanziellen Beitrag zur Förderung des Radverkehrs zu leisten. Zur Feststellung des erforderlichen Investitionsbedarfs für Radverkehrsmaßnahmen von Bund, Ländern und Gemeinden und darauf aufbauend ein Vorschlag zur Kostentragung wird eine Studie beauftragt.
4. Aufnahme der überregionalen Radrouten in die Landesstraßengesetze prüfen
Die überregionalen Radwege verbinden Agglomerationen auf kürzestem Wege und die Gemeinden können sich bei der Entwicklung der lokalen Radverkehrsinfrastruktur an den überregionalen Radwegen orientieren. Mit der Aufnahme der überregionalen Radwege in das Landesstraßengesetz wurden die Radwege zu Landesstraßen erklärt. Damit wurde das öffentliche Interesse hervorgehoben, die Finanzierung vereinheitlicht, die Erhaltung geregelt und die Möglichkeit der Kollektivierung bei Nichteinigung mit dem Grundeigentümer / der Grundeigentümerin geschaffen. Die Finanzierung sieht nun vor, dass die Gesamtkosten der Radverkehrsanlage zwischen dem Land und der betreffenden Gemeinde, in welcher der Radweg verläuft, im Verhältnis 2:1 geteilt werden. Zudem ist die jeweilige Gemeinde nun auch für die Erhaltung und Verwaltung zuständig.
5. GIP-Daten im Radinfrastrukturbereich erweitern, um Datenverfügbarkeit und Datenqualität zu heben und zu vereinheitlichen
Die Graphenintegrationsplattform (GIP) hat sich als das Verkehrsreferenzsystem der öffentlichen Verwaltung in Österreich etabliert. Für die Verwaltung und Beauskunftung von Radrouten sind neben dem geometrischen Verlauf auch die Art der Radinfrastruktur, Radfahr- und Abbiegeerlaubnisse, Oberflächenbeschaffenheit, Schwierigkeitsgrade, taugliche Schiebestrecken oder Informationen über die Verkehrssicherheit auf Straßenabschnitten u.v.m. erforderlich, die derzeit noch nicht flächendeckend und im erforderlichen Ausmaß vorliegen. Insbesondere für Routinganwendungen im Radverkehr sind diese Informationen notwendig, um auf die individuellen Bedürfnisse bei Routenanfragen von A nach B reagieren zu können. Die GIP umfasst alle Verkehrsarten und kann diese intermodal verbinden. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, dass auch die Informationen für den nichtmotorisierten Individualverkehr entsprechend aufgewertet und bereitgestellt werden.
6. Systematik Radrouten Österreich beschließen und Trans-Europäisches Radverkehrsinfrastruktur-Netz in Österreich entwickeln
Die EuroVelo Routen sowie die Österreich Radrouten werden gemäß dem Ergebnisbericht zur „Systematik Österreich Radrouten“ – wie er den Landesverkehrsreferentinnen und Landesverkehrsreferenten überreicht wurde – festgelegt. Die Bundesländer definieren die genaue Streckenführung und tragen diese in die Graphenintegrationsplattform (GIP) ein. Darüber hinaus bekennt man sich zur Definition eines TEC-Netzes für Österreich als Beitrag und Unterstützung für die Weiterentwicklung der Trans-European Cycling Infrastructure in der UNECE, um der Zunahme des Radverkehrs mit einem adäquaten und qualitativ hochwertigen Rad-Infrastrukturnetz insbesondere im Bereich der Radschnellverbindungen zu begegnen.
7. Gemeinsame österreichweite Motivationskampagne „Österreich radelt“ ausbauen und Radfahren im Alltag bewerben
Unter dem Titel „Österreich radelt“ wurde eine österreichweite Motivationskampagne zum Radfahren entwickelt. Sie verleiht dem Radfahren als umweltfreundlicher Mobilitätsform zusätzliche Bedeutung und unterstützt das Ziel der Bundesregierung, den Radverkehr zu verdoppeln. Um eine bundesweite Wirkung und eine Verhaltensänderung der Menschen zu erzielen, nämlich vermehrt das Fahrrad für Alltagswege zu nutzen, ist eine integrierte Marketing- und PR-Kampagne unabdingbar. Neben dem Schaffen von Aufmerksamkeit für das Radfahren an sich, gilt es, die Menschen zu motivieren, mehr mit dem Fahrrad zu fahren.
8. Radverkehr steuerlich begünstigen
Aufgrund der positiven volkswirtschaftlichen Effekte werden die steuerlichen Begünstigungen von (E-)Fahrrädern weiterentwickelt und vorangetrieben sowie bekannt gemacht (speziell: Jobrad-Modelle). Bund, Länder, Gemeinden und Städte prüfen, ob und inwieweit sie im eigenen Wirkungsbereich ihren Bediensteten bereits Jobrad-Aktionen anbieten.
9. Schnittstelle Radverkehr und Öffentlicher Verkehr optimieren
In den nächsten Jahren soll im jeweiligen Zuständigkeitsbereich gezielt an der Verbesserung der Schnittstelle Fahrrad/Öffentlicher Verkehr gearbeitet werden – durch gute Erreichbarkeit von Verkehrsstationen und Bahnsteigen mit dem Fahrrad, komfortable Abstellmöglichkeiten, Angebote für die letzte Meile und gute Mitnahmemöglichkeiten im schienengebundenen Nah- und Fernverkehr. Ziel ist es, ein gemeinsames österreichweites Bike&Ride Ausbauprogramm zu erstellen und insbesondere die Fahrradmitnahme im Fernverkehr zu verbessern.
10. Wissen schaffen, Innovationen stärken
Fördermaßnahmen im Bereich der Forschung und Innovation zum Radverkehr sind, sowohl in aktuellen als auch in zukünftigen Förderprogrammen, mit entsprechenden budgetären und personellen Mitteln auszustatten. Bund, Länder und Gemeinden bringen sich aktiv in die Forschungsprozesse ein und setzen die notwendigen Maßnahmen, um die Ergebnisse in der Öffentlichkeit zu verbreiten und wo immer möglich rasch und konsequent in die Mobilitätspraxis zu überführen.
Drei Ebenen
Die Unterzeichnung erfolgte durch VertreterInnen aller drei Ebenen der österreichischen Gebietskörperschaften.
Bundesebene:
o Leonore Gewessler (Klimaschutzministerin)
Landesebene:
o Land Burgenland – Heinrich Dorner (Landesrat)
o Land Kärnten – Michael Schuschnig (Landesrat)
o Land Niederösterreich – Ludwig Schleritzko (Landesrad für Verkehr)
o Land Oberösterreich – Günther Pröller (Bundesrat)
o Land Salzburg – Stefan Schnöll (Landesrat)
o Land Steiermark – Wolfgang Moitzl (Landtagsabgeordneter)
o Land Tirol – Hermann Weratschnig (Nationalratsabgeordneter)
o Land Vorarlberg - Daniel Zadra (Landesrat für Mobilität- und Umwelt)
o Stadt Wien - Ulli Sima (Stadträtin für Mobilität)
Gemeindeebene:
o Städtebund - Ulli Sima (Wiener Stadträtin für Mobilität)
o Gemeindebund - Alfred Riedl (Präsident Gemeindebund)
Radlobby Einschätzung
Als Radlobby Österreich begrüßen wird die Unterzeichnung des Übereinkommens. Seinen Erfolg oder Misserfolg wird sich jedoch in den konkreten Taten messen. Hierfür ist eine starke Interessensvertretung notwendig.
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