Radparken: Wiens Bezirke brauchen Radbügelbudgets

Fahrradbügel Schillerplatz

Wenn der Ausbau so schleppend wie bisher weitergeht, fehlen im Jahr 2020 in Wien 18.000 Radparkplätze. Hier unsere Analyse auf Stadt- und Bezirksebene zum Nachlesen. Aufgrund der großen Rückstände braucht es Investitionen durch die Bezirke. Bezirks-Radbügelbudgets helfen dabei. Wir haben berechnet, wie viel die Wiener Bezirke investieren müssen, um den Bedarf an Radbügeln im Jahr 2020 abdecken zu können.

Über Bezirksbudgets wird meist im Sommer im Bezirksparlament beraten, im Herbst liegt der Vorschlags-Entwurf zur öffentlichen Einsichtnahme auf und meist im November oder Dezember werden die Budgets in den Bezirken beschlossen. Daher ist jetzt der Zeitpunkt, um zu handeln und Radbügel-Investitionen zu sichern!

So wichtig ist ein Radbügelbudget im Bezirk

Im Rahmen der Dezentralisierung wurde im Jahr 1988 erstmals ein Bezirksbudget eingeführt. Das Gesamtbudget der Wiener Bezirke 2017 beträgt etwa 130 Millionen Euro. Derzeit fließt nur ein kleiner Teil in Maßnahmen für den Radverkehr, wovon Radbügel wiederum nur einen minimalen Anteil ausmachen.

Entgegen der Mehrzahl der Bezirke hat der dritte Bezirk ein jährliches Radbügelbudget von 25.000 Euro, das entspricht etwa 40 Cent pro Einwohner und Jahr. Damit wurden in den Jahren 2011-2016 jährlich etwa 150 Plätze errichtet. Der Effekt lässt sich sehen: Der dritte Bezirk wird - dem Trend nach - bis 2020 drei Plätze im Bezirksranking gut gemacht und die Bezirke 13., 14., 1. und 21. überholt haben. Das Interesse der BürgerInnen am Thema Radparken ist groß. Zu Jahresbeginn hat zum Beispiel der 5. Bezirk ein "partizipatives Budget" installiert und BürgerInnen nach Ideen gefragt. Sehr oft wurde der Wunsch nach "mehr Radabstellplätzen" in der Onlinediskussion genannt.

Ausbauraten genauer betrachtet

Zu den konkreten Zahlen in den Bezirken: Nach unserer Analyse der absoluten Zahlen von Radabstellplätzen stehen nun die Ausbauraten im Fokus. Wienweit wurden in den Jahren zwischen 2011 und 2016 durchschnittlich 1.700 Plätze pro Jahr neu errichtet. Die Mobilitätsagentur gibt an, dass der Zubau derzeit etwa 2.500 Plätze pro Jahr beträgt. Wir haben uns angesehen, was das längerfristig bedeutet und das Ergebnis ist enttäuschend: Mit dem aktuellen Zubau verfehlt Wien das Ziel von 66.000 Stellplätzen im Jahr 2020 eindeutig. Für die Zielerreichung braucht es pro Jahr 6.100 zusätzliche Radabstellplätze.

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Im Jahr 2020 fehlen Wien bei Trendfortschreibung 18.000 Radabstellplätze

Große Ausbau-Versäumnisse in vielen Bezirken

Welche Gründe diese drohende Zielverfehlung hat? Erstens wurde ein erfolgreiches stadtweites Ausbauprogramm 2013 beendet (Anm.: 2009 bis 2010 wurden 90%, 2011 dann 50% und 2012 nur noch 30 Prozent der Errichtungskosten von der Stadt finanziert.) und zweitens errichtet der Großteil der Bezirke zu wenig Radbügel. Einige Bezirke sind besonders säumig.

Welche Ausbauraten braucht es in den Jahren 2017 bis 2020, damit der Bedarf an Radabstellplätzen im Jahr 2020 gedeckt ist? Vergleicht man die notwendigen mit den tatsächlichen Ausbauraten (2011-2016) in den Bezirken, so offenbaren sich massive jährliche Rückstände. Die größten Säumnisse gibt es in den Bezirken 19., 23. und 11. hier wird kaum erweitert: Es fehlen 97 bis 95% der jährlich notwendigen Neuerrichtungen! Ihnen folgen die Bezirke 21., 13., 12., 1., 14. und 10. mit 93 bis 80% jährlichem Rückstand beim Zubau. Näher dran sind die Bezirke 4., und 7., hier fehlen "nur" 38 bzw. 21% des Zubaus. Gut unterwegs sind die Bezirke ohne Ausbaurückstand: Die Bezirke 2., 6., 8., 9., und 22. werden unter Beibehaltung des konsequenten Ausbaus den Bedarf im Jahr 2020 bedienen können.

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Jährliche Rückstände beim Ausbau der Radabstellplätze

Notwendige Aufstockungen in den Bezirken

Damit der Bedarf 2020 bedient wird, haben wir uns die notwendigen Ausbausteigerungen in den Bezirken angesehen. Diese Steigerungsraten können Bezirken als Hilfsmittel zur effektiven Selbsteinschätzung dienen.

Den größten Aufstockungsbedarf hat mit Abstand Döbling. Hier müssten 30 (dreißig!) mal mehr Radbügel jährlich errichtet werden, um den Bedarf 2020 decken zu können. Dicht gefolgt von Liesing und Simmering, die nur einen von 20 (zwanzig!) notwendigen Bügeln jährlich errichten. Hohe Rückstände gibt es größtenteils in den Wiener Außenbezirken, aber auch in der Inneren Stadt, die nur einen von sieben notwendigen Bügeln errichtet. In den Bezirken 20., 15., 18., 4., und 7. braucht es eine Ausbausteigerung von 100 bis 30 Prozent, dann wird der Bedarf 2020 gedeckt. Gut im Kurs und lobenswert sind die Bezirke Leopoldstadt, Mariahilf, Josefstadt, Alsergrund und Donaustadt.

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Aufstockungsbedarf nach Bezirk zur Abschätzung der notwendigen Ausbausteigerungen

Kostenabschätzung für das Bezirks-Radbügelbudget

Für das Radbügelbudget im Bezirk sind die Rückstände weniger aussagekräftig. Als Hilfestellung für Radinteressierte und Bezirksparteien bieten wir daher hier eine Kostenabschätzung der jährlichen Investitionskosten für die Bedarfsdeckung 2020 gemäß der TU-Studie. Die untenstehende Grafik zeigt, welches zusätzliche jährliche Radbügelbudget es in jedem Bezirk ab 2017 braucht, damit bis zum Jahr 2020 die Rückstände aufgearbeitet sind. Zur Einordnung wird auch der Wert pro Einwohner und Jahr angeführt. Quelle: TU Wien, Studie ARNIKA und eigene Berechnung auf der Basis des Jahres 2016

Auf Basis des Radbügelbudgets im 3. Bezirk und der dortigen Ausbauqote werden die Investitionskosten praxisnah pro Platz mit 170 € angenommen. (Anm. Mischwert von hochqualitätiven und nichtwertigen Abstellanlagen. In der Studie ARNIKA der TU Wien werden 300 € pro Platz angenommen.)

Die sich daraus ergebenden zusätzlichen Radbügelbudgets sind verglichen mit dem Bezirksbudget marginal. Das Radbügelbudget in allen Bezirken macht weniger als 0,7% des jeweiligen Bezirksbudgets aus. Zwei Ausnahmen bilden der dritte Bezirk mit 1% und der erste Bezirk mit hohen 3,9%. (Anm.: Letztere hat mehrere Gründe; zentraler Lage und vieler Ziele bringen viel Radverkehr, geringe Einwohnerzahl und damit geringe Mittelzuweisungen sowie eine lange Tradition der Rückstände in der Radbügelversorgung.)

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Aufstellung der notwendigen jährlichen Investitionen bis 2020 pro Bezirk

Investitionsbedarf quantifiziert: jetzt Initiative für Radbügelbudget 2018 starten!

Diese umfassende Datengrundlage hat das Potential, die Diskussion rund um Radparken in Wien zu objektivieren. Die klare Feststellung der notwendigen Investitionen macht Radverkehrsförderung planbar und messbar.

Jetzt mit der Bezirksvertretung Kontakt aufnehmen und die Initiative für ein Radbügelbudget 2018 im Bezirk starten!

Rückfragen:
Die Studien im Originaltext finden Sie hier auf der Homepage der TU Wien.
Für eigene Analysen stellen wir Ihnen unten einige Rohdaten als .csv zur Verfügung.
Detaillierte Fragen werden gerne bei unserem Radlobby Wien JourFixe persönlich beantwortet.


Dieser Artikel bildet den zweiten Teil unserer diesjährigen dreiteiligen Analyse zum Radparken in Wien. Im ersten Teil standen die absoluten Anzahlen von Radabstellplätzen im Fokus, im zweiten Teil haben wir die Radpark-Kennzahlen aller Bezirke analysiert und im dritten Teil wird die lokale Verteilung von Radabstellanlagen thematisiert.

Hier zum Nachlesen:

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