Radfahren in der Lobau hat eine lange Tradition, wurde jedoch durch Maßnahmen im Sommer 2023...
TU-Studie bestimmt dringendste Radwege
Sichere Radinfrastruktur motiviert mehr Menschen, das Fahrrad zu nutzen: Angst im Straßenverkehr und zu viel Kfz-Verkehr sind laut vielen Untersuchungen (ua. dem Fahrradreport Wien) unter den Hauptgründen, warum Menschen nicht das Fahrrad als Verkehrsmittel zu nutzen. Auch wenn der Radverkehr in den vergangenen Jahren gestiegen ist und mehr BürgerInnen angeben, sich sicher zu fühlen: Schützende Radwege sind nach wie vor Mangelware. Eine Studie der TU Wien erhob nun den dringendsten Handlungsbedarf für mehr Sicherheit im Radverkehr. Wir werfen einen genauen Blick darauf.
Sicherheit für alle
Die Tatsache, dass viele Menschen aus Angst nicht auf das Fahrrad als Verkehrsmittel setzen, steht den Zielen beim Klimaschutz für die Gesundheit der BürgerInnen und für eine kindergerechte Stadt gegenüber. Das Wiener Hauptradverkehrsnetz weist unzählige Lücken und unsichere Stellen auf, die Menschen tagtäglich daran hindern, mit dem Rad ihre Alltagswege zurückzulegen.
Die Mobilitätsagentur der Stadt Wien ließ durch die TU Wien diese Lücken systematisch analysieren. Dabei wurde eruiert, welche Radwege in Wien am dringendsten fehlen.
Methodik
Ausgegangen wurde vom Hauptradverkehrsnetz der MA18 (HRN). Dieses wurde nach Anlagearten sortiert und die "subjektiv unsicheren" Abschnitte ausgewählt.
Dieses HRN Bestand mit Handlungsbedarf wurde mit den teilweise seit Jahrzehnten (!) "in Planung" befindlichen Abschnitten zusammengefasst. Aus dieser Gesamtheit des HRN mit Handlungsbedarf wurden im nächsten Schritt Nebenstraßen ausgeschlossen, wo in aller Regel Mischverkehr ohne bauliche Radwege vertretbar ist.
Die verbleibenden Abschnitte bilden die Maßnahmenliste, die danach anhand von quantitativen Kriterien bewertet wurde. Für fünf Kriterien wurden hier mit Hilfe eines Geoinformationssystems Punkte vergeben und danach nach Punktezahl priorisiert:
- Zentralität: Je zentraler, desto höher ist aufgrund der monozentrischen Struktur Wiens das Potenzial.
- Bevölkerungsdichte: Je höher, desto mehr Menschen können den Radweg nutzen.
- Öffi-Linien: Je eher starke Öffi-Linien in der Straße sind, desto eher benötigt es getrennte Infrastruktur
- Verkehrsmenge: Je mehr Kfz-Verkehr, desto wichtiger ist ein Radweg
- Tempolimit: Je höher das Tempo (50/70), desto eher benötigt es sichere Infrastruktur
Radwegbedarf klar verortet
Bewertet wurden insgesamt 1.141 Abschnitte in 362 Straßen. Das Ergebnis zeigt die dringendsten Radwege sehr deutlich: Bei der Hälfte der bewerteten Straßenabschnitte besteht hoher Handungsbedarf (siehe dazu auch S. 17 der Studie): Von der Alser Straße über die Äußere Mariahilfer Straße und die Fasangasse bis hin zur Wallensteinstraße.
Auf diesen sechs Straßen fehlen sichere Radwege am dringendsten:
- Währinger Straße
- Universitätstraße/Alser Straße/Ottakringer Straße
- Hernalser Hauptstraße
- Alserbachstraße/Wallensteinstraße
- Mariahilfer Straße
- Ungargasse/Fasangasse
Weitere dringende Radwege (11-15P):
- Wattgasse / Possingergasse
- Jörgerstraße
- Spitalgasse
- Nußdorfer Straße
- Billrothstraße
- Heiligenstädter Straße
- Taborstraße
- Dresdner Straße
- Adalbert-Stifter-Gasse
- Donaufelder Straße
- Simmeringer Hauptstraße
- Landstraßer Hauptstraße
- Rennweg
- Absbergasse
- Herndlgasse
- Gudrunstraße
- Favoritenstraße
- Wiedner Hauptstraße
- Margaretenstraße
- Reinprechtsdorfer Straße
- Längenfeldgasse
- Linzerstraße
- Schwegler Straße
- Hütteldorfer Straße
- Burggasse
- Gablenzgasse
- Wernhardtstraße
weitere fehlende Radwege (Radlobby-Auswahl):
- Erz-Herzog-Karl Straße
- Brünner Straße
- Prager Straße
- Martinstraße-Gymasiumstraße
- Komplex Burggasse-Neustiftgasse
- Lainzer Straße
- Breitenfurter Straße
- Triester Straße
- Neilreichgasse
- Geiselbergstraße
Die Ergebnisse bestärken die jahrelangen Anliegen der Radlobby Wien. In Wien fehlt ein grundlegendes Netz von sicheren Radwegen. Die meisten innerstädtischen Hauptstraßen sind seit Jahrzehnten radweglos. Das sollte dringend behoben werden mit ausreichend Personal und Budget.
Umsetzungszeitraum potentiell kurz aber noch völlig unklar
Die dringendsten Radwege dieser Studie (11-15 Punkte) beinhalten insgesamt eine Straßenlänge von etwa 50 Kilometern. In der Petition Platz für Wien werden 30 Kilometer neue Radwege pro Jahr bis 2030 gefordert; über 55.000 Unterstützerinnen haben bereits unterzeichnet. Die SPÖ, die Grünen, NEOS und LINKS haben diese Forderungen bereits unterstützt und tw. in ihre Parteiprogramme aufgenommen. Nimmt man dieses Vorhaben ernst, so sind nach zwei bis vier Jahren alle 36 dringendsten Straßenzüge aus der Studie mit ein bzw. zwei Radwegen ausgestattet.
Dieses Gedankenexperiment anhand der Studie zeigt, wie viele Radwege in Wien fehlen und wie dringend es einen Kurswechsel in der Verkehrspolitik braucht.
Die WienWahl2020 wird eine Richtungsentscheidung werden. Wien braucht endlich mehr Personal und ein zeitgemäßes Radverkehrsbudget, um den riesigen Rückstand in sachen Radwege aufzuholen.
Innerstädtischer Raum muss künftig anders gedacht werden – mehr Platz für Rad- und Fußverkehr, mehr Grünflächen, mehr Raum zum Verweilen, deutlich weniger Autoverkehr und Stellplätze. Die klimafitte und radfreundliche Umgestaltung der Straßen und Plätze ist dringend notwendig, um die Verkehrswende voran zu treiben. Genauso wie Nahversorgung und U-Bahnen Teile des täglichen Lebens und des Stadtbudgets sind, müssen künftig auch sichere Radverkehrsanlagen dazu zählen. Dabei sind Synergieeffekte für mehr Aufenthaltsqualität, bessere Bedingungen für Zufußgehen und kühlendem Grün zu nutzen.
Mit dem entschlossenen Ausbau des Radverkehrs zu beginnen, hebt Wien nach der Phase der autogerechten Stadt, die mit der Massenmotorisierung begann, auf eine neue Stufe. Gemeinsam mit dem starken Öffentlichen Verkehr gibt es beste Voraussetzungen, diesen Wandel zu bewältigen. Auch der U-Bahnbau hat schließlich vor Jahrzehnten mit der kurzen Strecke Karlsplatz-Südtiroler Platz begonnen.
Die Studie
Die gesamte Studie kann hier bei der Mobilitätsagentur heruntergeladen werden. Auch eine Überblickskarte steht zum Download zur Verfügung, siehe unten. Ab Seite 17 der Studie gibt es eine ausführliche Liste der dringendsten Radwege pro Bezirk. Auf der vorletzten Seite der Studie sind zahlreiche Karten in hoher Auflösung verlinkt.
Hier gibt es die Überblickskarte in Großansicht:
Diskurs und Einschränkungen
Die Rahmenbedingungen der Untersuchung stufen wir als diskussionswürdig ein, da viele Einschränkungen getroffen werden mussten. So wurden z.B. bestehende Abschnitte mit baulich getrennten Radwegen egal welcher Qualität in der Analyse nicht berücksichtigt. Beispielsweise sind hier Argentinierstraße und Praterstraße zu nennen. Eine Bestimmung der potentiellen Nutzerzahlen sowie der positiven volkswirtschaftlichen Effekte war im Umfang des Auftrages ebenfalls nicht enthalten.
Die Radlobby Wien versteht die vorliegende Untersuchung als einen wichtigen konkreten Auftakt, die Radroutenplanung in Wien weiter zu professionalisieren. Der Radwegebau in den ermittelten Straßen sollte nun oberste Priorität genießen und das zu schaffende Radwegebudget ist darauf auszurichten.
Die Argentinierstraße fällt unter "sichere Radinfrastruktur" laut Studie, obwohl hier Unfallhäufungen an der Tagesordnung stehen. Bester Kompromiss: die Fahrradstraße Argentinierstraße