Radfahren in der Lobau hat eine lange Tradition, wurde jedoch durch Maßnahmen im Sommer 2023...
Verhüllungsverbot und Rad: Schalfrage von Polizei geklärt
Das Vollverschleierungsverbot namens "Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz – AGesVG" im öffentlichen Raum gilt seit 1. Oktober 2017. Wer ab dann in der Öffentlichkeit seine Gesichtszüge durch Kleidung oder andere Gegenstände in einer Weise verhüllt oder verbirgt, dass sie nicht mehr erkennbar sind, muss auf Grund dieses neuen Bundesgesetzes mit Geldstrafen von bis zu 150 Euro rechnen. Die Radlobby hat nun die winterlich relevante Frage geklärt: "Gilt dies auch für Radfahrende, die ihr Gesicht etwa durch einen Schal oder ein Tuch schützen?" Die Anntwort der Polizei in Kurzfassung: nein.
Polizeiauskunft des LPD Wien
HR Dr. Peter Jedelsky, Leiter der Bürgerinformation der Landespoizeidriektion Wien, antwortet am 13.10.2017 auf die Radlobby-Anfrage: "Laut Gesetz ist die Verhüllung der Gesichtszüge mit Schal, Haube, Sturmhaube, etc. nicht zulässig. Als Ausnahme werden witterungsbedingte und/oder gesundheitsbedingte Umstände (Schutz vor Frost) genannt. Es gibt derzeit jedoch keine Norm, die festlegt, ab welcher Temperatur eine solche Verhüllung zulässig ist. Wird ein Mundschutz, Sturmhaube, etc. im Zusammenhang mit einer sportlichen Tätigkeit getragen, fällt dies nicht unter das Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz, da es sich um eine sportliche Betätigung handelt. Radfahren fällt im Zweifel unter die Ausnahmebestimmung der sportlichen Betätigung. Die Polizeibeamten müssen in jedem Fall immer den Gesamtzusammenhang beurteilen."
Laut ergänzender Auskunft des Innenministeriums ist noch darauf hinzuweisen, dass bei einer Amtshandlung, also im Gespräch mit der Polizei, der Mundschutz abgenommen werden muss, um die Identitätsfeststelleung zu ermöglichen. Bei der Weiterfahrt kann der Schal o.ä. wieder übergezogen werden.
Hier die Behördenauskunft des LPD zum Download:
Information zum AGesVg
In einem Folder wird von der Exekutive in vier Sprachen auf das "Verbot Gesichtsverhüllung in Österreich" hingewiesen. Darin ist in Deutsch, Türkisch, Englisch und Arabisch zu lesen: "Das Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz sieht vor, dass an öffentlichen Orten (...) die Gesichtszüge nicht durch Kleidung oder andere Gegenstände in einer Weise verhüllt (...) werden dürfen, dass sie nicht mehr erkennbar sind. Als öffentlicher Ort ist jeder Ort zu verstehen, der von einem nicht von vornherein beschränkten Personenkreis ständig oder zu bestimmten Zeiten betreten werden kann, einschließlich des Bus-, Schienen-, Flug- und Schiffsverkehrs."
Ausnahmeregel Sportausübung
Allerdings ist nicht jede Form der Gesichtsverhüllung untersagt. Ausnahmen gibt es etwa, wenn die Verhüllung "gesundheitliche oder berufliche Gründe" hat, wenn sie im Rahmen künstlerischer, kultureller, traditioneller Veranstaltungen oder "im Rahmen der Sportausübung" erfolgt. Faschingsumzug und Perchtenlauf sollten also laut den Erläuterungen zum Gesetz nicht unter das Verbot fallen. Auch wenn die Verhüllung gesetzlich vorgeschrieben ist (etwa der Sturzhelm für Motorradfahrer), wird das logischerweise nicht bestraft.
Angesichts der nahenden kalten Jahreszeit, stellt sich nun die Frage, ob sich Radfahrende ab jetzt strafbar machen, wenn sie ihr Gesicht etwa durch einen Schal vor kaltem Wind und eisigen Temperaturen schützen. Hier gibt es Entwarnung: Wer sein Gesicht "aufgrund witterungsbedingter Umstände (etwa als Schutz vor Frost)" verhüllt, bleibe straffrei. Diese Ausnahme steht aber nicht dezidiert im Gesetzestext selbst, sondern findet sich im Erläuterungstext zum Gesetzesentwurf.
Scharfe Kritik am Gesetz
Bundespräsident Alexander Van der Bellen hatte das Integrationsgesetz im Juni 2017 trotz inhaltlicher Bedenken unterzeichnet. Er halte es für "kein gutes Gesetz". Scharfe Kritik übte auch Rechtsanwälte-Präsident Rupert Wolff am 29.9.2017 beim Anwaltstag in Graz. Die Ansätze seien "schlecht und falsch" - und die Bezeichnungen verharmlosend, da ja "tief in Grundrechte eingegriffen wird." Diese Sichtweise unterstützt der Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk im Standard: "Ein solches pauschales, mit Ausnahmen operierendes Gesichtsverhüllungsverbot könnte mit dem Grundsatz kollidieren, die Bekleidung frei wählen zu dürfen". Auch Österreichs Bischöfe übten Kritik, für Kardinal Christoph Schönborn ist es ein "zu starker Eingriff in die zivilen Freiheiten".
Quellen: Die Presse, Kurier, Wiener Zeitung und "Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz – AGesVG" im Wortlaut