Der Leihrad-Anbieter Ofo stockt seine Flotte in Wien um weitere 500 Räder auf, von Obike sind bereits über 1.000 Räder im Stadtgebiet verteilt.
Bike-Sharing: Qualitätsforderungen der Radlobby
Öffentliche Leihradsysteme bzw. Public Bike-Sharing Systeme im öffentlichen Raum sind seit vielen Jahren integraler Bestandteil zahlreicher Städte und leisten einen wichtigen Beitrag zur Steigerung des Radverkehrs und zur Erhöhung der Lebensqualität in urbanen Räumen. Neueste Entwicklungen sorgen derzeit für einen Umbruch bei Bike-Sharing Systemen und stellen Kommunen aber auch NutzerInnen vor neue Herausforderungen.
Die aktuell dominierenden stationsbasierten Systeme werden durch einen immer stärker wachsenden Anteil an stationslosen („free-floating“) Systemen ergänzt, in zahlreichen Städten dringen neue Anbieter auf den Markt. Diese Entwicklungen stellen einerseits eine potentielle Verbesserung des intermodalen Verkehrsmittelangebots in Städten dar, könne aber auch zur Belastung für die Nutzbarkeit des öffentlichen Raums werden.
Verlässliche Rahmenbedingungen schaffen
Um gut funktionierende und von den NutzerInnen akzeptierte Systeme vorzufinden ist es notwendig darauf zu achten, dass alle Marktakteure sich an bestehende Vorschriften halten, ein hohes Servicelevel bieten und NutzerInnen sicheres und komfortables Radfahren ermöglichen. Daher fordert die Radlobby alle AkteurInnen zur Berücksichtigung folgender vier Handlungsfelder bei der Implementierung von Bike-Sharing Systemen im öffentlichen Raum auf. Die Adressaten der diesbezüglichen Forderungen sind sowohl die Betreiberunternehmen als auch öffentliche Institutionen in Politik und Verwaltung. Darüber hinaus fordern wir NutzerInnen zu verantwortungsvollem Umgang mit Leihrädern auf.
1) NutzerInnenperspektive:
Bike-Sharing Systeme müssen Mindeststandards zur sicheren und komfortablen Fortbewegung erfüllen und sollen die Nutzung von Privaträdern nicht einschränken (Stellplatzthematik!)
2) Interoperabilität & Integration:
Interoperabilität mit anderen Verkehrsträgern, Integration in Mobilitätsplattformen (z.B. WienMobil), einfache Zugänglichkeit sowie ein hohes Maß an Datensicherheit sind als Voraussetzung zu betrachten um die Zugänglichkeit für BewohnerInnen aber auch temporäre NutzerInnen (z.B. TouristInnen) sicherzustellen.
3) Gesamtsystemische Perspektive:
Die Planung und Errichtung von Bike-Sharing Systemen muss als integraler Bestandteil der Verkehrsplanung betrachtet werden; faire Rahmenbedingungen für Bike-Sharing sowie flächendeckendes Bike-Sharing sind herzustellen. Rechtzeitig sind planerische Aspekte wie Radverkehrs-anlagen und Radabstellanlagen im Zusammenhang mit Bike-Sharing zu berücksichtigen.
4) Rechtssicherheit:
Zur Umsetzung der Qualitätsansprüche sind die nötigen rechtlichen Rahmenbedingungen zur produktiven Regulierung des Bike-Sharing Angebots zu schaffen.
Klare Empfehlungen berücksichtigen
Die European Cyclists Federation (ECF) hat ein Positionspapier zu Unlicensed Public-Use Bike Sharing (2017) verfasst, deren Best-Practice Empfehlungen die Radlobby unterstützt:
- Registrierung & Lizenzierung: Innerhalb ihres Hoheitsgebietes sollen Städte Bike-Sharing Anbieter lizenzieren. Eine enge und laufende Abstimmung zwischen Anbieter und öffentlicher Hand ist sicherzustellen um Quantität, Verteilung, laufendes Monitoring und Evaluierung sicherzustellen und das Angebot der Fahrräder und Stellplätze den Bedürfnissen der Bevölkerung entsprechend steuern zu können. Dazu gehört auch die Finanzierung der für den Verleih benötigten Infrastruktur durch Anbieter.
- Öffentlicher Raum: Städte müssen die Möglichkeit haben regulierend einzugreifen um Verparkung von vorhandenen Fahrradabstellanlagen sowie Behinderung von FußgängerInnen und öffentlichem Verkehr durch stationslose Bike-Sharing Systeme zu vermeiden. Diese Regulierung muss unter Berücksichtigung der Förderung des Radverkehrs erfolgen. Anbieter müssen die Bevölkerung direkt über die rechtlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen des Radabstellens informieren.
- Fahrräder: Städte müssen Bike-Sharing Anbieter verpflichten, alle technischen und rechtlichen Mindeststandards für Fahrräder einzuhalten. Darüber hinaus ist sicherzustellen, dass eine möglichst große Personengruppe die Fahrräder nutzen kann (Komfort, Körpergrößen, Handhabbarkeit)
- Servicelevel: die laufende Wartung der Fahrräder ist sicherzustellen und maßgeblich für den Erfolg von Bike-Sharing Systemen. Jedenfalls sollen Bike-Sharing Anbieter eine 24h-Kontaktmöglichkeit für sicherheitsrelevante Rückmeldungen und Kundenanliegen anbieten.
- Verteilung: Die bedarfsorientierte Verteilung der Fahrräder in der Stadt ist ein grundlegender Bestandteil des Erfolges von Bike-Sharing Systemen. Anbieter haben dafür zu sorgen, dass die laufende Verteilung der Fahrräder und das Monitoring der Abstellsituation sichergestellt sind.
- Nachhaltigkeit: Bike Sharing Systeme sollen auf Nachhaltigkeit ausgerichtet sein und so gestaltet sein, dass ihr langfristig nutzbares Angebot einen positiven Beitrag zur Steigerung des Radverkehrsanteils darstellt.
- Integration in Mobilitätsplattformen und Verknüpfung mit anderen Verkehrsformen ist herzustellen, um Multimodalität zu fördern. Dazu sollen die Anbieter die Einhaltung des Open Data Standard „General Bikeshare Feed Specification (GBFS)“ garantieren.
- Datennutzung: Der Anbieter hat sicherzustellen, dass die Datenschutzrichtlinien eingehalten werden. Nutzerdaten sollen nicht für kommerzielle Zwecke sondern nur für die Verbesserung des Leihsystems verwendet werden. Die gesammelten anonymisierten Mobilitätsdaten sollen darüber hinaus als Open Data für nachhaltige Mobilitätsplanung zur Verfügung stehen.
Der Vorstand der Radlobby Wien, September 2017
Hinweis: ein gutes Vorbild für Regulierung des Leihradangebots bietet die US-Stadt Seattle HIER.