Radverkehrs-Bauprogramm Wien 2017: Licht und Schatten

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Ziel des "Radwegebau-Paket 2017" sei es, Lücken im Wiener Radnetz zu schließen und das Radfahren in der Stadt sicherer und attraktiver zu machen, kündigte die Stadt Wien am 3. März an. Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou: „Die jetzt vorgestellten Projekte sind nur der Anfang eines umfangreichen Bauprogramms, das in diesem Jahr umgesetzt wird. Weitere Projekte folgen.“ Mit den Grundqualitäten Sicherheit und Attraktivität nähert sich das Verkehrsressort den Leitlinien der Radlobby Wien an. Ob die aufgelisteten Projekte mit Gesamtlänge 4,4 km, denen heuer noch weitere folgen sollen, diese Ansprüche in der Realität erfüllen, haben wir unten bewertet.

Auf die "weiteren Projekte" warten wir gespannt. Wien braucht eine deutliche Erhöhung der Investitionen in Radverkehr, um im Wettbewerb der Städte nicht zurückzufallen. Die Benchmark liegt, wie in Kopenhagen und Amsterdam, bei 30 Euro pro Einwohner und Jahr, bis 2016 wurden in Wien nur grob 10 Prozent davon investiert (rund 3,5 Euro). Dabei ist das Kosten-Nutzen-Verhältnis bei Investitionen in den Radverkehr enorm positiv: "Ein Euro in den Radverkehr investiert bringt einen volkswirtschaftlichen Nutzen von über 5 Euro. Die Sicherstellung ausreichender Finanzmittel für den Radverkehr ist daher auch im Sinne eines effizienten Mitteleinsatzes.“, hält der Masterplan Radfahren des Umweltministeriums BMLFUW fest.

Getreidemarkt: Zweiter Schritt

Der Getreidemarkt ist ein wichtiges Verbindungsstück für den Radverkehr, jedoch klafft dort eine große Lücke im Radverkehrsnetz. 2016 wurde als erster Radlobby-Erfolg ein Teilstück als Einrichtungsradweg von Lehargasse bis rechter Wienzeile abgedeckt. Der Bedarf für eine rasche Umsetzung einer zukunftsfähigen Gesamtlösung für den Getreidemarkt blieb damit aber bestehen.

Nun kommt im Bauprogramm 2017 das zweite Teilstück: Neue Radwege sollen die Lücke zwischen Mariahilfer Straße und Lehargasse schließen. Weiters geplant sind eine neue ampelgeregelte FußgängerInnen-Querung auf der Höhe der Technischen Universität Wien, RadfahrerInnenüberfahrten am Getreidemarkt bei der Lehargasse und Gauermanngasse, Baumneupflanzungen und eine Sanierung der gesamten Fahrbahn.

Das dritte Stück zum Gesamtwerk fehlt jedoch noch, dazu meint Radbeauftragter Martin Blum: "Nach einer Lösung für die Kreuzung Getreidemarkt, Friedrichstraße und linke Wienzeile wird noch gesucht. Probleme machen derzeit die fehlenden Aufstellflächen."

  • Bauzeit: Anfang Juli 2017 bis Ende August 2017
  • Art der Radverkehrsanlage: Einrichtungsradweg
  • Länge der Radverkehrsanlage: 230 m, 130 m
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So hatte die Radlobby 2016 das Wunschziel am Getreidemarkt visualisiert. Wir sind bald nahe dran!

Arsenalstraße

Mit der Errichtung eines Gehweges und der Markierung eines Radfahrstreifens (beidseits) statt dem bisherigen Geh- und Radweg in der Arsenalstraße, zwischen Ghegastraße und Hüttenbrennergasse, wird laut Stadt Wien ein weiterer Lückenschluss vollzogen.

  • Baubeginn und Bauende: Juni 2017 bis Dezember 2017
  • Art der Radverkehrsanlage: Radfahrstreifen, befahrbare Autobus-Haltestellenkaps
  • Länge der Radverkehrsanlage: ca. 1.000 Meter

Radfahrstreifen erfüllen jedoch nur selten die Kriterien des "Sicheren Radfahrens für Alle", insbesondere wenn es sich um schmale Radfahrstreifen auf Hauptstraßen mit schnellem motorisierten Verkehr handelt.

Positiv anzumerken ist, dass die Stadt Wien dort keinen Mischverkehr plant, sondern motorisierter Verkehr und Radverkehr nebeneinander stattfinden sollen. Leider fehlt jedoch ein baulicher Schutz: "Da in der Arsenalstraße Tempo 50 gilt und mehr als 8.000 Fahrzeuge täglich dort fahren bräuchte es in jede Fahrtrichtung eine baulich getrennte Anlage, um Radfahren für alle Alters- und Nutzergruppen attraktiv zu machen." meint Roland Romano, Infrastruktursprecher der Radlobby Wien.

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In der Arsenalstraße im 3. Bezirk kommen Gehweg und Radfahrstreifen statt dem bisherigen Geh- und Radweg. Kartenausschnitt von radlkarte.at

Schweglerstraße

Dazu informiert die Stadt Wien: "In der Schweglerstraße von Felberstraße bis Märzstraße wurde bereits 2016 eine Radverkehrsanlage errichtet. Damit durchgehendes Radfahren in der gesamten Schweglerstraße in beiden Fahrtrichtungen möglich ist, wird heuer mit der Weiterführung der bestehenden Radverkehrsanlage in der Schweglerstraße von Märzstraße bis Guntherstraße ein weiterer Lückenschluss im Hauptradverkehrsnetz vollzogen. Um dies zu ermöglichen, wird der Straßenquerschnitt der Schweglerstraße in diesem Abschnitt adaptiert und die Parkordnung angepasst."

  • Baubeginn und Bauende: August 2017 bis Dezember 2017
  • Art der Radverkehrsanlage: Radfahrstreifen
  • Länge der Radverkehrsanlage: ca. 490 m

Die Radlobby Wien hält dazu fest, dass Radfahren in der Schweglerstraße keinesfalls erst durch den Umbau in der Schweglerstraße möglich ist. Auch bisher ist Radfahren dort erlaubt und möglich, aber nicht für alle Alters- und Nutzergruppen attraktiv. Positiv zu erwähnen ist, dass Abstellplätze für Kfz neu organisiert werden und dadurch mehr Raum für den Fließverkehr vorhanden sein wird, in einigen Bereichen bewirkt der neue Radfahrstreifen aber auch kritische Momente. Dieses Projekt steht noch unter Beobachtung durch die Radlobby Wien.

Flötzersteig

Zum Flötzersteig schreibt die Stadt Wien: "Er ist eine der wichtigsten Verkehrsverbindungen zwischen dem Stadtgebiet im Westen Wiens und dem 16. Bezirk bzw. der weiterführenden Verbindung in den innerstädtischen Bereich. Mit dem Neubau einer Radverkehrsanlage am Flötzersteig im 14. bzw. 16. Bezirk von Höhe Tinterstraße bis Höhe Flötzersteigsteg wird ein Lückenschluss im Hauptradverkehrsnetz vollzogen."

  • Baubeginn und Bauende: Anfang Juli 2017 bis Ende Oktober 2017
  • Art der Radverkehrsanlage: Mehrzweckstreifen, Einrichtungsradweg
  • Länge der Radverkehrsanlage: 1.575 m

Der Radlobby-Check zeigt klare Mängel: Der Flötzersteig ist täglich mit 10.000 bis 18.000 Kraftfahrzeugen bei erlaubtem Tempo 50 belastet. Dort sind Radstreifenlösungen (auch Mehrzweckstreifen) keine Anlageart, die für alle Alters- und Nutzergruppen geeignet wäre. Ähnlich wie bei der im Vorjahr verplanten Wattgasse wurde hier mit dem Mehrzweckstreifen eine unzureichende Anlageart gewählt.

Zum selben Schluss kommt auch DI Ulrich Leth, Radverkehrsexperte der TU Wien :

"Aufgrund der hohen Kfz-Verkehrsstärken auf der Arsenalstraße, Schweglerstraße und am Flötzersteig ist auf allen drei Straßenabschnitten ein Radweg erforderlich. "Gebaut" (besser gesagt: aufgepinselt) werden aber Radfahrstreifen und Mehrzweckstreifen (also Mischverkehr). Hier wird wohl kaum ein 12-jähriges Mädchen alleine radfahren (dürfen) - ein plakativer Indikator für die Radverkehrsfreundlichkeit einer Infrastruktur."

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Kartenausschnitt Flötzersteig von radlkarte.at - Die Farbe Orange steht für "stressig", sieht so aus als würde es trotz Umbau dabei bleiben.

Kuchelauer Hafenstraße

In der Kuchelauer Hafenstraße soll die Fahrradstraße auch von der Eisenbahnkreuzung bis zur Landesgrenze verlängert werden: "Der Auto- und der Lkw-Verkehr sollen über die Heiligenstädter Straße geführt werden. Nur mehr Zu- und Abfahrten sollen zugelassen sein. Somit wird auch das Nebeneinanderfahren gestattet. Aufgrund der neuen Bebauungen im Projektgebiet (Wohnungen bei der ehemaligen Kaserne und Weingutcluster vor der Landesgrenze) werden auch Gehsteige, Parkstreifen sowie Straßenentwässerungen realisiert."

  • Baubeginn und Bauende: Juni 2017 bis Oktober 2017 (1. Abschnitt), März 2018 bis Juni 2018 (2. Abschnitt)
  • Art der Radverkehrsanlage: Fahrradstraße
  • Länge der Radverkehrsanlage: ca. 550 m

Die Verlängerung der Fahrradstraße ist eine lange Forderung der Radlobby Wien. Unterstützt von der Initiative "Radeln in Döbling" haben wir das Projekt vorangetrieben und befürwortet. Die Befreiung vom motorisierten Durchfahrtsverkehr ist eine wesentliche Verbesserung. Radverkehr soll dort an Kreuzungen bevorrangt werden und Nebeneinanderfahren ist künftig erlaubt - ein Plus.

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Kaisermühlenstraße

In der Kaisermühlenstraße wird zwischen der Mühlwasserstraße und der Neuhaufenstraße ein 3,50 m breiter Geh- und Radweges östlich der bestehenden Fahrbahn errichtet.

  • Baubeginn und Bauende: Sommer 2017
  • Art der Radverkehrsanlage: gemischter Geh- und Radweg
  • Länge der Radverkehrsanlage: ca. 400 Meter

Die Kaisermühlenstraße dort ist im Wiener Hauptradverkehrsnetz eine Hauptradroute in Planung. Seit langer Zeit klafft hier eine Lücke und Radfahrende müssen sich die Fahrbahn bei erlaubtem Tempo 50 mit motorisierten Fahrzeugen teilen. Ein Lückenschluss in hoher Qualität ist hier wünschenswert.

Mischverkehr mit Fußgängern auf Hauptradrouten erfüllt die Anforderungen an eine Hauptradroute nicht, da Konflikte an der Tagesordnung stehen und Nebeneinanderfahren auf Geh-&Radwegen nicht erlaubt ist. In diesem Abschnitt der Kaisermühlenstraße ist die Frequenz an FußgängerInnen derzeit gering, insgesamt ist der geplante Umbau durchaus eine Verbesserung. Die Auswirkungen des Umbaus werden durch die Radlobby Wien und die Radagenda22 beobachtet.

Die Radlobby-Leitlinien

Als generellen Grundsatz hat die Radlobby Wien ihre Leitlinien auformuliert, daran messen wir auch diese Baumaßnahmen: Radverkehrsplanung ist Angebotsplanung für eine kontinuierlich wachsende Zahl von Rad fahrenden VerkehrsteilnehmerInnen.

Um dieser Herausforderung zukunftsfähig gerecht zu werden und die positiven gesundheitlichen und volkswirtschaftlichen Effekte von Radverkehr weiter zu steigern, müssen verkehrsplanerische und verkehrspolitische Entscheidungen eine hohe Qualität der Radinfrastruktur für alle Nutzergruppen zum Ziel haben.

Verkehrssicherheitsmaßnahmen im Allgemeinen müssen sich an der „Vision Zero“ orientieren, also am immanenten Ziel der gänzlichen Vermeidung von tödlichen oder schweren Unfällen. Lebensqualität in einer modernen Stadt bedeutet, dass „Straßen für Alle“ geplant und gebaut werden.

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