Radfahren in der Lobau hat eine lange Tradition, wurde jedoch durch Maßnahmen im Sommer 2023...
Rad-Bauprogramm 2023 veröffentlicht
Wiens Rad-Bauprogramm für das Jahr 2023 ist veröffentlicht. Die Radlobby Wien hat sich das ambitionierte Bauprogramm im Detail angesehen und bewertet den Umfang sowie die geplanten Projekte.
25 Millionen
25 Mio. Euro Budget sind für die Umsetzung 2023 angekündigt, nachdem 2021 ~10 Mio. und 2022 26 Mio. Euro investiert wurden. Positiv: Damit wird zum zweiten Mal das Regierungsprogramm mit “20 zusätzlichen Millionen” erfüllt. Dieses Jahr sollen 20 Anlagenkilometer insgesamt, davon 70% bauliche Radwege, teils mit Fußgängern gemischte Geh- & Radwege umgesetzt werden. Etwa 15% sind Fahrradstraßen gemäß Straßenverkehrsordnung (Pfeilgasse, Argentinierstraße). Zwei Drittel der Projekte sind klassische “Lückenschlüsse” im Hauptradverkehrsnetz, einige "Bestandsverbesserungen" zu welchen auch die Argentinierstraße zählt.
Insgesamt sollen im nächsten Jahr 50 Projekte im Hauptradverkehrsnetz umgesetzt werden. 12 davon in der Donaustadt, 8 in Liesing, 5 in Penzing, 4 in der Leopoldstadt sowie Favoriten und Währing. Auch die Radoffensiven in der Donaustadt und in Favoriten sind (jeweils über 2 Jahre betrachtet) klar erkennbar. Leider wieder kein Projekt findet man z.B. in der Brigittenau oder in Floridsdorf. Gerade im 21. Bezirk wird hier nach Einführung der Parkraumbewirtschaftung die Chance vergeben, den freien Platz für die nachhaltige Mobilität zu nutzen.
Es sind zwar ca. 20 Projekte nur bis 150 Meter lang und nur ein Drittel der Projekte länger als 500 Meter, durch Kombination mehrerer Projekte können jedoch längere durchgängige Routen realisiert werden.
Einschätzung der Radlobby
Das Bauprogramm 2023 bietet drei große Highlights und einige Top Projekte. Diese und eine Auswahl weiterer Projekte stellen wir hier vor, ein Fazit findet sich am Ende des Artikels.
Highlights:
Radschnellverbindung Nord
Zwischen Urania und Stadtgrenze gibt es eine Reihe an neuer Infrastruktur. Die Radlobby Wien begrüßt die neue Durchgängigkeit und das strategische Herangehen auf einer der wichtigsten Hauptradrouten Wiens.
Von der Ringstraße ausgehend werden die Aspernbrücke, die Aspernbrückengasse und die Praterstraße mit einem südseitigen Zweirichtungsradweg ausgestattet. Die Radlobby Wien sieht weiterhin die Notwendigkeit von breiteren Radwege auf beiden Straßenseiten, um lange Querungszeiten zu vermeiden und alle Ziele mit dem Rad erreichbar zu machen. Der schmale, alte und unveränderte Radweg stadteinwärts bleibt täglicher Engpass. Der Handlungsbedarf wird hier sehr bald offensichtlich werden.
Nachdem 2022 die Lassallestraße und Wagramer Straße ausgebaut wurden folgen 2023 zwei äußere Abschnitte der Wagramer Straße: Vom Radweg-Ende Siebeckstraße aus wird der Radweg um mehr als 1100 Meter bis zum Kagraner Platz verlängert. Weiter stadtauswärts wird die Radweg-Lücke zwischen Sebaldgasse und Seyringer Straße geschlossen. Für den Abschnitt Seyringer Straße ist leider nur eine konventionelle Einbahnöffnung geplant. Wir erachten dort eine Fahrradstraße als notwendig. Mit diesen Upgrades wird man ab Ende 2023 auf überdurchschnittlich guter und durchgängiger Radinfrastruktur zwischen Ringstraße und Rautenweg äußerst durchgängiger Radinfrastruktur geradelt werden können.
Der neue Zweirichtungsradweg Praterstraße als Teil der Radschnellverbindung Nord
Radschnellverbindung Süd
Auch im Süden werden suboptimale Abschnitte aufgewertet und eine hochrangige und durchgängige Langstreckenverbindung entsteht. Mit der Argentinierstraße und der Herndlgasse werden 2023 zwei sehr wichtige Projekte umgesetzt.
Die Argentinierstraße (Karlsplatz bis Wiedner Gürtel) wird nach jahrzehntelangen Diskussionen und Verschleppungen endlich umgebaut. Die Radlobby Wien hatte sich ebenso lange dafür eingesetzt und sich für die Variante einer Fahrradstraße ausgesprochen, die letztendlich in einer BürgerInnen-Abstimmung mit über 85% Zustimmung bestätigt wurde. Als einer der ältesten Radwege Wiens war es hier höchst an der Zeit! Die seit 2013 mögliche Fahrradstraße kommt hier zur Anwendung, Detailplanungen laufen gerade. Ende April werden dazu Detailpläne von der Stadt präsentiert. Die Stadt Wien hat sich für die Umgestaltung von einem niederländischen Planungsbüro beraten lassen, damit sind die Erwartungshaltungen entsprechend hoch.
In der Herndlgasse (Gudrunstraße bis Reumannplatz) entsteht der zweite Abschnitt. Dieser wird mit einem ostseitigen Zweirichtungsradweg ausgestattet. Durch die Begradigung der Route kann hier ein Umweg von einem halben Kilometer eingespart werden. Die Radlobby Wien hatte diese Strecke mehrmals eingefordert und 2022 eine erfolgreiche Petition nach Landespetitionsgesetz unterstützt.
Der neue Zweirichtungsradweg in der Herndlgasse zwischen Reumannplatz und Quellenstraße
Die neue Fahrradstraße Argentinierstraße nach niederländischem Vorbid
Wiedner Hauptstraße
Das dritte Highlight findet man auf der Wieden. Die innerstädtische Lücke auf der Wiedner Hauptstraße zwischen Unterpflaster-Straßenbahn und Innenring wird 2023 zu zwei Dritteln geschlossen. Von der Johann-Strauß-Gasse bis Treitlstraße wird ein Radweg errichtet. Seit dem Jahr 2002 war der südliche Teil davon bereits als hochrangige “Hauptradroute in Planung” ausgewiesen. Das Projekt ist noch in der Planung, die Radlobby Wien wird hier dranbleiben und auf durchgängig hohe Qualitäten und die Fortsetzung bis zum Innenring (Walfischgasse) drängen. Bis zum 4. April können Sie hier Ihre Standpunkte in der Bürgerbeteiligung einbringen.
Top Projekte
Neben den oben genannten Highlights können wir einige Top Projekte identifizieren.
In der Pfeilgasse (Gürtel bis Strozzigasse) wird ein Radweg errichtet, der durch Fahrradstraßen ergänzt wird. Ein notwendiges Upgrade, denn diese Route ist eine der beliebtesten in den Westen Wiens. Ihre Fortsetzung, die Hasnerstraße fehlt leider als Fahrradstraße im Bauprogramm.
Die Davidgasse wird zwischen Laxenburger Straße und Favoritenstraße durch einen Zweirichtungsradweg verbessert.
Die Stadteinfahrt entlang der Atzgersdorfer Straße (Schluckergasse bis Wundtgasse) wird ertüchtigt. Statt einem Fahrstreifen gibt es einen baulichen Radweg gegen die Einbahn und einen Radfahrstreifen stadteinwärts.
Die Radroute Vorortelinie wird vereinheitlicht und fortgesetzt. In der Kendlerstraße und Drechslergasse (St.-Gotthard-Straße bis Meiselstraße) setzen zwei neue Zweirichtungsradwege den Bestand fort und schließen an die zukünftige Radroute Meiselstraße an.
Der Rennbahnweg wird gemeinsam mit der Ludwig-Reindlgasse auf über einem Kilometer mit baulichen Einrichtungsradwegen ausgestattet. Dadurch entsteht eine wichtige neue Querverbindung zwischen dem Kagraner Platz und dem Rautenweg.
Die Erzherzog-Karl-Straße wird an zwei Abschnitten ertüchtigt. Zwischen der Wagramer Straße und der Industriestraße sowie von der Vernholzgasse bis zur Stadlauer Straße wird jeweils ein Zweirichtungsradweg errichtet. Es bleibt noch die beträchtliche Lücke zwischen Industriestraße und Polgarstraße, die wir hiermit für das Bauprogramm 2024 nominieren.
Leider fehlen auch dringend erwartete Projekte. So hat die Krottenbachstraße ein großes Loch, die Landstraßer Hauptstraße wird 2023 gar nicht verbessert. Weiters fehlen uns beispielsweise Straßen wie die Linke Wienzeile & Hadikgasse (Radlangstrecke West), der Getreidemarkt bergauf, der Neubaugürtel, die äußere Mariahilfer Straße, der Rennweg, die Alser Straße, die Alserbachstraße-Nußdorfer Straße und die Währinger Straße im diesjährigen Bauprogramm. In der Radlkarte der Radlobby sind diese Strecken meist als Lücken oder als “stressige” orange Pisten ausgewiesen.
Hier finden Sie das gesamte Bauprogramm auf der Website der Stadt Wien.
Bezirksvorsteher Marcus Franz, Mobilitätsstadträtin Ulli Sima, Angelika Pipal-Leixner, Mobilitätssprecherin der NEOS Wien und Bezirksvorsteher Ernst Nevrivy bei der Präsentation des Bauprogramms 2023
Auswahl weiterer Projekte
Margaretenstraße
Mit dem fehlenden Häuserblock zwischen Reinprechtsdorfer Straße und Spengergasse kann 2023 die Margaretenstraße zwischen Kohlgasse und Operngasse in beiden Richtungen befahren werden. Jetzt fehlt noch der Abschnitt Gürtel bis Kohlgasse, den wir für das Bauprogramm 2024 nominieren.
Reinprechtsdorfer Straße
Radfahren gegen die Einbahn. Ursprünglich nicht vorgesehen hätte eine Einbahnstraße hier massive Umwege für Radfahrende bedeutet. Wir begrüßen die Einbahnöffnung ausdrücklich.
Triester Straße
Herta-Firnberger-Straße, Bereich Spinnerin am Kreuz & Südlich der Computerstraße entstehen Zweirichtungsradwege als wichtige Lückenschlüsse entlang dieser Hauptradroute.
Donaustadtstraße
Einer von drei Bauabschnitten soll 2023 realisiert werden. Entlang dieser Kfz-Schneise durch den 22. Bezirk wird ein baulicher Zweirichtungsradweg angelegt. Schlussendlich soll hier eine 2,5 Kilometer lange Route bis 2025 entstehen.
Wundtgasse
Mit einem Einrichtungsradweg wird ein erster wichtiger Schritt gemacht, diese städtische Hauptradroute endlich umzusetzen. Was fehlt ist die Durchgängigkeit und die andere Fahrtrichtung. Bereits seit dem Jahr 2000 war die Wundtgasse als “Hauptradroute in Planung” ausgewiesen, bisher fehlt dort jegliche Radinfrastruktur.
Hüttelbergstraße
Nach dem bedrückenden Erlebnis einer fatalen Kollision in der Hüttelbergstraße wird 2023 diese Lücke endlich geschlossen. Ein einseitiger Geh- und Radweg entspricht zwar nicht den Vorstellungen einer modernen Hauptradroute, der Wunsch zur Beibehaltung der Baumalleen lässt jedoch nicht viel Spielraum für Besseres.
Gerbergasse
Mit der Gerbergasse erhält Liesing seine erste Fahrradstraße mit etwa 530 Metern Länge und auch der Straßenzug Tuschlgasse-Brandströmgasse-Danilovatzgasse südliche des Schöpfwerk Steges über die A23 soll zu Fahrradstraßen werden. Beides angemessene Maßnahmen aus unserer Sicht.
Fazit zum Bauprogramm 2023
Insgesamt wird deutlich mehr investiert als in den Jahren vor 2022. Mit den erhöhten Investitionen konnte ein erster Fortschritt der Ausbaugeschwindigkeit erreicht werden. Im Vergleich zu 2022 konnte die Qualität der Projekte deutlich erhöht werden. Es entstehen mehr jener durchgängigen Routen, die für das politisch gewünschte und notwendige Radverkehrswachstum so dringend gebraucht werden. Es wird auch an den richtigen Stellen investiert, so finden sich die allermeisten Routen auch im Radlobby-Basisnetz wieder.
Wir messen den Umfang des Bauprogramms an den Forderungen der großen Verkehrswende-Initiative Platz für Wien. Hier sind 30 km Radwege an Hauptstraßen, 10 km Fahrradstraßen und 11 km Radschnellverbindungen jährlich gefordert. Diese Zahlen beziehen sich auf die Netzlänge im Hauptradverkehrsnetz, was in der Regel der Straßenlänge entspricht.
Im Rahmen des Bauprogramms 2023 werden ~17 Straßenkilometer im Rahmen von 50 Projekten umgebaut. Die Stadt Wien spricht von 20 Kilometern Anlagenlänge, indem sie u.a. Einrichtungsradwege pro Straßenseite zählt. Wir kommen in unserer Analyse der Netz-&Straßenlänge auf ~ 11 km für die Kategorie "Radwege", 3,5 km für "Fahrradstraße" und 5 km erfüllen (ebenfalls) die Kriterien "Radschnellverbindung".
Insgesamt wird dabei klar: Fortschritte in diesen Quantitäten sind zu Vorjahren klar erkennbar. Die Wahlversprechen der letzen WienWahl können bisher jedoch nicht voll erfüllt werden.
Neben dem Umfang der Projekte sind auch die Qualitäten entscheidend. Auch diese haben sich verbessert: Meist werden baulich getrennte Wege auf Hauptstraßen errichtet und Verkehrsberuhigungs-Projekte wie Fahrradstraßen auf Hauptrouten abseits von Kfz-Hauptstraßen. Beides entspricht langjährigen Radlobby-Forderungen, auch wenn wir gerne primär Lösungen im Rechtsverkehr statt einseitiger Zweirichtungsradwege sehen würden. Positiv: Nur wenige Projekte beinhalten Fahrbahn-Radeln auf Kfz-Hauptstraßen oder ungeschützte Radstreifen. Einige sind jedoch im Mischverkehr mit FußgängerInnen geführt.
Damit Wien seinen Ausbau auf diesem Niveau halten und steigern kann, sind mehr Ressourcen notwendig. Aktuell beobachten wir einen Engpass in den Planungskapazitäten und im Baustellenmanagement. Die Grundlagenstudie Investitionsbedarf Radverkehr hatte zuletzt gemeinsam mit der Stadt Wien ~780 Mio Euro Investitionsbedarf in Wien festgestellt. Um diese Hürden zu überwinden, braucht es mehr Personal zur Durchführung der Projekte sowie mehr Budget zum Bau von durchgängigen Routen. Diese beiden Maßnahmen empfehlen wir der Stadtregierung, damit mit dem nächstjährigen Bauprogramm 2024 ein weiterer Entwicklungsschritt in der Wiener Radverkehrsführung vollzogen werden kann.
Diese Analyse wird ermöglicht durch Ihre Mitgliedschaft – Hier Mitglied der Radlobby Wien werden.