Radfahren in der Lobau hat eine lange Tradition, wurde jedoch durch Maßnahmen im Sommer 2023...
Wiens Radschnellverbindungen wachsen
Wien errichtet 2023 & 2024 mehrere Abschnitte seiner Radschnellverbindungen Nord & Süd. Wienweit sind 13 solcher Verbindungen geplant. Wir porträtieren die Abschnitte von der Lassallestraße bis zur Argentinierstraße und liefern einen Ausblick zur Verbindung der beiden Radschnellverbindungen. Für 10 der 13 Routen fehlen noch Planung sowie Umsetzung.
Mit der Wien-Wahl wurden 110 Kilometer Radschnellverbindungen bis 2030 versprochen, das bedeutet 11 km pro Jahr. Im Jahr 2023 werden ca. 5 Kilometer errichtet. In den Jahren davor war es die Hälfte oder weniger.
Die Nord-Süd-Achse von der Donaustadt über die Innenstadt nach Favoriten, auch “Rad-Tangente” genannt, ist eine der wichtigsten Radrouten durch die Stadt. Sie ist als Basisroute wichtigster Teil des Hauptradverkehrsnetzes und beinhaltet mehrere Radverkehrszählstellen. Diese Achse findet man auch in internationalen Potentialkarten von Radschnellverbindungen wieder.
Übersichtskarte potentieller Radschnellverbindungen in Wien, Daten des CHIPS Projekt, cyclehighways.eu
Das fehlende Verbindungsstück
Aktuell sind die Wiener Radschnellverbindungen bis zur Ringstraße geplant. Für das Verbindungsstück Ringstraße (Staatsoper bis Donaukanal) wünschen wir uns zeitnah Verbesserungen durch Fahrradstraßen & Radwege in den Nebenfahrbahnen, um die Lücke zwischen den seitens Stadt als “Mega-Radhighways” bezeichneten Radschnellverbindungen zu schließen. Denn 2026/27 fährt für 12 Monate keine S-Bahn auf der parallelen Stammstrecke. Bis dahin sollten v.a. der Schubertring bis Stubenring ertüchtigt sein, um den erwartbaren Ausweichverkehr als “Rad-Schienenersatzverkehr” aufnehmen zu können. Wir erinnern an die U1-Sperren und Ersatzverkehre im Jahr 2012 und Ende 2019.
Übersichtskarte der drei Wiener Radschnellverbindungen Nord, Süd und West vor dem Hauptradverkehrsnetz, Detailansicht zur Radhighway-Lücke an der Ringstraße
Vom Norden ins Zentrum
Die Radschnellverbindung Nord wurde ab 2020 ertüchtigt und soll bis 2025 fertiggestellt sein. So soll auf sieben Kilometern eine durchgängige, hochwertige Radverbindung zwischen der Donaustadt und der Innenstadt entstehen.
Im Jahr 2020 wurde in der Wagramer Straße von Schüttaustraße bis Arbeiterstrandbadstraße der Zweirichtungsradweg neben den Grünstreifen auf die Nebenfahrbahn verlegt und verbreitert. Seitdem ermöglicht der Radweg - zuvor schmale und konfliktträchtig - ein komfortables Vorankommen für alle.
Seit Ende des Jahres 2022 kann der neue Radweg vom Donauzentrum bis zur Kagraner Brücke befahren werden. Der Abschnitt überzeugt durch komfortable Breite und durchgängige Trennung von Kfz- und Fußverkehr. Die Radlobby Wien analysierte die Umsetzung des Abschnitts bereits Anfang des Jahres 2023.
Lassallestraße
Im April 2023 wurde der Abschnitt auf der Lassallestraße fertiggestellt. Auf der Lassallestraße wurde der bestehende Radweg im Streckenbereich vom Fußverkehr getrennt und auf vier Meter verbreitert, an den Kreuzungen wird diese Breite wegen neuer Masten etc. nicht ganz erreicht. Eine begrüßenswerte Maßnahme auf dem stark überlasteten Abschnitt, auf dem sich bis zu 10.000 Radfahrende täglich bewegen - im Alltag sowie Freizeit.
Die Radlobby Wien sieht weiterhin den Bedarf von beidseitigen Zweirichtungsradwegen, da die Lassallestraße zu den am stärksten genutzten Radwegen Wiens zählt. Denn die Lücke zwischen den zwei Radwegen Mexikoplatz und Venediger Au ist ungelöst. Damit fehlt dem Stuwerviertel samt Vorgartenmarkt weiterhin die direkte Radwegverbindung.
Die Radweg-Lücke auf der Lassallestraße. Entlang des Stuwerviertels fehlt ein Zweirichtungsradweg, davor und danach gibt es ihn.
Anzahl der Ampeln halbiert
Durch den Wegfall der Ampeln zu den U-Bahn-Zugängen auf Höhe Radingerstraße und beim Praterstern konnte ein erheblicher Komfortgewinn erzielt werden. Statt der bislang vier im Streckenabschnitt befindlichen Ampeln sind jetzt nur noch zwei im umgebauten Streckenabschnitt auf der Lassallestraße zu finden, eine Reduktion um 50%.
Der Zweirichtungsradweg Lassallestraße an der Radingerstraße mit Fußgänger-Aufstellflächen
Ein erwarteter & positiver Nebeneffekt des besseren Kreuzungsdesigns: Bereits in den ersten Tagen nach Eröffnung konnten wir an der stadtbekannten Mini-Ampel am Praterstern einen Rückgang der zuvor intensiven Polizeikontrollen auf nahezu Null feststellen.
Unser Praxistest zeigt: Bei einer Geschwindigkeit von fast 20km/h ergibt sich auf diesen rund 900 Metern Länge eine Grüne Welle für Radfahrende stadtauswärts und stadteinwärts.
Kreuzungsdesign verbessert
Positiv zu bewerten sind die durchgängig getrennt signalisierten Ampeln für Rad- und Fußverkehr. Damit gibt es insgesamt mehr Grünzeit, bedingt durch die unterschiedlichen Räumgeschwindigkeiten.
Insbesondere die Kreuzung mit der Vorgartenstraße wurde verbessert. Die Flächen der Fuß- und Radwegbereiche sind vergrößert und einige Elemente der Schützenden Kreuzung an dieser Vollkreuzung mit vier Radfahrerüberfahrten umgesetzt. Die früher aufgemalten und häufig überfahrenen “Linsen” wurden zu baulichen Randsteinen.
Eine optimale Schützende Kreuzung wurde leider nicht umgesetzt, auf der Brückenrampe zur Reichsbrücke sind Fuß- und Radquerung seitenverkehrt angeordnet. Zu viele Kfz-Fahrstreifen auf der Rampe der Reichsbrücke haben dies in Kombination mit dem bestehenden U-Bahn-Gebäude leider verunmöglicht. Besonders die Beibehaltung der Überdimensionierung der Rampe auf die Reichsbrücke ist hinterfragenswert. Die drei Fahrstreifen sind so gut wie nie voll und stadteinwärts sind zwei Stück ausreichend.
Keine trichterförmige Radfahrerüberfahrt
Für die Kreuzungen der Lassallestraße mit der Joseph-Roth-Gasse sowie der Ernst-Melchior-Gasse hat die Radlobby Wien mehrfach Schützende Kreuzungen für einen besseren Verkehrsablauf inkl. ampelfreier Auf- und Abfahrten vorgeschlagen, diese wurden leider nicht umgesetzt.
Auch die eingeforderten trichterförmige Radfahrerüberfahrten nach niederländischem Vorbild wurden bei diesen beiden Querungen nicht umgesetzt. Durch die aufgeweiteten, breiten Aufstellflächen für Radfahrende reduziert sich der Platzbedarf in der Länge, bei Grün harmonisieren sich die Radverkehrsmengen durch die unterschiedlichen Geschwindigkeiten wieder elegant. Insbesondere bei stark frequentierten Kreuzungen eine platzsparende Lösung für maximale Kapazität. Damit hat die Stadt erneut die Chance vergeben, innovative Radverkehrslösungen nach Wien zu bringen; wir hoffen, dass hier in einiger Zeit nachgebessert wird.
Trichterförmige Radfahrerüberfahrt in den Niederlanden
Insgesamt sind auf der Lassallestraße deutliche Verbesserungen hinsichtlich Radverkehrsqualität zu erkennen. Auf der anderen Straßenseite fehlt jedoch die Radinfrastruktur; das wird zunehmend problematisch. Daher sieht die Radlobby Wien weiterhin die Notwendigkeit für einen zweiten Radweg entlang des Stuwerviertels. Damit wären die lange Querungszeiten vermeidbar und alle Ziele mit dem Rad gut erreichbar.
Begradigung auf der Donauplatte
An der Platte Donau City ist dringend eine Begradigung zur Vermeidung von Umwegen notwendig. Wir warten hier schon einige Jahre auf die Umsetzung der s.g. “Cycle Snake Vienna”, eine Hommage der berühmten Cykelslangen - Bicycle Snake in Kopenhagen. Sie ergänzt das Radverkehrsnetz und schafft eine direkte Rad-Durchbindung von Reichsbrücke auf die Wagramer Straße über den Platz der Vereinten Nationen. Ein Datum für die Umsetzung gibt es bisher nicht.
Übersichtskarte der "Cycle Snake Vienna", eine Begradigung der Radschnellverbindung Nord
Umbau Praterstraße, Aspernbrückengasse und Aspernbrücke
In der Praterstraße gibt es künftig auf der stadtauswärts führenden Seite einen teils 4 Meter breiten Zwei-Richtungsradweg. Auf der Fahrbahn stadtauswärts zwischen Donaukanal (Aspernbrücke) bis zum Praterstern entfällt künftig ein Fahrstreifen für den motorisierten Verkehr. Baustart ist April, im Spätsommer wird der neue Radweg hergestellt.
Der heutige schmale Radweg stadteinwärts soll unverändert neben einem Parkstreifen und zwei Fahrstreifen bestehen bleiben. Das wird aus Sicht der Radlobby Wien bald erneut zu Kapazitätsproblemen führen, daher setzen wir uns weiterhin für je einen breiten Radweg pro Straßenseite ein.
Rendering des Zweirichtungsradweges in der Praterstraße.
In der Aspernbrückengasse werden die bestehenden Radwege im Jahr 2023 durch einen Zwei-Richtungsradweg ergänzt. Der Zwei-Richtungsradweg wird zukünftig auch auf der Aspernbrücke fortgeführt und an den Ringradweg angeschlossen. Die Radlobby Wien sieht auch hier den Bedarf von zwei Zweirichtungsradwegen auf der Aspernbrücke, um kurze Wege trotz der komplexen Relationen zu ermöglichen. An den beiden Brückenenden sollten zudem die fehlenden Radfahrerüberfahrten entlang des Donaukanals ergänzt werden, damit Vollkreuzungen mit Radfahrerüberfahrten an allen Seiten entstehen. Dies würde neue Relationen auf den durch breite Fahrbahnen zerschnittenen Kreuzungen schaffen und so für rasche Radverkehrsabwicklung sorgen. Ein innovatives Lichtsignal zur Anzeige der schnellsten Route könnte dies noch weiter verbessern. Die stadtweit bekannte Radkreuzung an der Urania wird 2024 ertüchtigt, die Planungen laufen seit Jahren. Noch ist offen ob hier weiterhin der Autoverkehr priorisiert wird oder doch eine attraktive Radverkehrsführung gefunden wird.
Vom Süden ins Zentrum
Die Radschnellverbindung Süd startete zwar bereits 2018 mit dem richtungsweisenden Großprojekt Favoritenstraße, sie wird jedoch erst bis Ende 2024 eine hohe Qualität erreichen.
Im April 2023 wurde kürzlich die Detailplanung für die Fahrradstraße Argentinierstraße vorgestellt. Die soll zur - bisher österreichweit einzigartigen - Fahrradstraße nach niederländischem Vorbild werden und damit einen der ältesten und unfallträchtigsten Radwege Wiens ersetzen. Damit setzt die Stadt Wien neue Maßstäbe für Hauptradrouten und hat mit Sjors van Duren von Royal HaskoningDHV erfahrene Planungskompetenz aus den Niederlanden als Berater hinzugeholt.
Rendering der Fahrradstraße Argentinierstraße nach niederländischem Vorbild, ein Leuchtturmprojekt Wiens
Zukünftig führt ein 5 Meter breites rotes Asphaltband vom Karlsplatz bis zum Wiedner Gürtel. Die aus unserer Sicht hochwertige Gestaltung verankert einen neuen Typ Straße in Wien. Die ebener Fahrfläche, ein Schutzstreifen zu Autotüren, 60 neue Bäume und eine eindeutige Erkennbarkeit laden zum Radfahren ein. Weiters sind Gehsteigverbreiterungen, Grünflächen und Aufenthaltsbereiche geplant. Wir begrüßen das Projekt und seine hohe Gestaltungsqualität in der Argentinierstraße ausdrücklich und verfassen gerade eine Stellungnahme zu den Planungen.
Aus unserer Sicht sollte jedenfalls bei der Verkehrsorganisation nachgebessert werden. Die bei Fahrradstraßen so wichtige Kfz-Querverkehrs-Beruhigung im Viertel sollte verstärkt werden. Hier sollte Wien aus den Erfahrungen rund um die Hasnerstraße lernen. Dafür braucht es Filter und Schleifenlösungen á la SuperGrätzl. Weiters fehlt die konsequente Öffnung von Einbahnen im Gußhaus- und Elisabeth-Viertel.
Ergänzt mit dem ebenfalls 2023 in Umsetzung befindlichen Radweg Herndlgasse wird die Radschnellverbindung Süd zwischen Oberlaa und Ringstraße ab 2024 wohl eine der längsten und besten städtischen Radverbindungen sein.
Der neue Zweirichtungsradweg in der Herndlgasse begradigt die Radschnellvebrindung Süd
Fazit
Insgesamt macht Wien aktuell richtige Schritte in Richtung seiner Radschnellverbindungen. Die Ausbaugeschwindigkeit wurde gesteigert, ist jedoch noch immer zu gering. Zu wenige Kilometer, die hier jährlich entstehen. Unsere Aufzeichnungen reichen bis zum Beschluss 2014 zurück.
Wir messen die Stadtregierung daran, ob die jährlichen 11 Kilometer Radschnellverbindungen gemäß Wahlversprechen errichtet werden. Als nächstes würde sich das Verbindungsstück an der Ringstraße anbieten. 10 der 13 Korridore warten überhaupt noch auf Planungen, bevor die Umsetzung starten kann:
- Korridor Nordwest (Richtung Korneuburg)
- Korridor Nord II (Richtung Stammersdorf)
- Korridor Nordost I (Richtung Groß Enzersdorf)
- Korridor Nordost II (Richtung Gänserndorf)
- Korridor Ost (Richtung Schwechat)
- Korridor Südwest (Richtung Mödling)
- Korridor West I (Richtung Neuwaldegg)
- Korridor Donauradweg (Klosterneuburg bis Lobau)
- Korridor Tangente Süd
- Korridor Tangente Nord
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