Kontrollen zur Ablenkung

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Schwerpunktaktionen, bei denen radfahrende Bürger kontrolliert und abgestraft werden, setzte die Polizei im letzten Jahr immer häufiger. Das Ziel der Kontrolle ist dabei ebenso unklar, wie die Grundlagen, auf denen die Strafen bemessen werden. Doch: Das Prinzip Ablenkung funktioniert. Mit medialen Inszenierungen, populistischen Maßnahmen und Sündenbockpolitik wird in Österreich von den Zukunftsfragen der Mobilität abgelenkt.

Fragwürdige Regelungen

Laut Angaben der Pressestelle der Wiener Landespolizeidirektion wurden– zusätzlich zu verstärkten Kontrollen auf Bezirksebene – von Juni 2018 bis Ende des Jahres acht Schwerpunktaktionen durchgeführt. Es fällt auf, dass gerade die besonders fragwürdigen Regelungen in der Straßenverkehrsordnung besonders akribisch kontrolliert werden. Etwa wenn am helllichten Tag fehlende Pedalreflektoren beanstandet werden; oder etwa das Tempo-10-Limit, das in einer Sondersituation gilt (Annäherung an ungeregelte Radfahrerüberfahrt) – obwohl sie beim Queren dieser Kreuzung bevorrechtigt sind. Einige Exekutivbeamte sind zur Überwachung dieses unlogischen Altgesetzes abgestellt und fehlen dann für dringliche politzeiliche Aufgaben. WienerInnen fragen sich auch, warum hier eigentlich nicht, so wie bei Kfz, eine Straf- bzw. Messtoleranz von 10 km/h, zugestanden wird.

Verhältnismäßigkeit nicht gegeben 

Die Radlobby spricht sich nicht generell gegen Kontrollen aus. Allerdings stimmen im Falle einer Übertretung die Relationen nicht. Wie man sich richtig im Straßenverkehr verhält, haben wir im Radlobby-StVO-Ratgeber als praktisches PDF zusammengefasst.

  • Ein Beispiel:

Wenn ein autofahrender Mensch mit dem Handy am Steuer telefoniert, ist das in etwa so gefährlich, wie wenn er alkoholisiert mit 0,8 Promille fährt. Fehlen am Fahrrad zwei Reflektoren, zahlt man mindestens genauso viel. Logisch ist das nicht, sinnvoll wohl auch kaum. 

  • Ein weiteres Beispiel:

Zu hohe Geschwindigkeit von Autos und Lastkraftwagen ist Todesursache Nummer eins auf Österreichs Straßen, 80% der Verkehrsteilnehmer im Auto halten sich nicht an die Tempo 30 Geschwindigkeitsbeschränkung, die Überlebenswahrscheinlichkeit bei einem Zusammenstoß mit Tempo 50 ist dreimal geringer als bei einem Zusammenstoß mit Tempo 30. Dennoch liegt die Mindeststrafe bei einer Tempoüberschreitung um 20 km/h bei nur 30 € - so viel, wie ein radfahrender Mensch zahlt, wenn an seinem Fahrrad ein einziger Reflektor fehlt. 
Höheres Tempo verursacht Belastungen für alle: mehr Abgase, mehr Lärm, mehr Feinstaub und erhöht den CO2-Ausstoß von Verbrennungsmotoren. Es ist kein Zufall, dass die meisten Staaten in Europa niedrigere Tempolimits als Österreich haben und tendenziell danach trachten, die gefahrenen Geschwindigkeiten weiter zu senken.

Nun spricht sich auch das Kuratorium für Verkehrsicherheit dafür aus, die Strafhöhen in Österreich zu verdoppeln, sobald Gefahr für Kinder besteht. Selbst mit einer Verdoppelung läge man noch unterhalb des europäischen Durchschnitts, bestätigt Klaus Robatsch wiederholt.

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Das Gegenteil davon betreibt der Verkehrsminister. Auf zwei Teilstücken der Westautobahn ließ er – zu Testzwecken – Tempo-140-Zonen einrichten. Umweltpolitische Geisterfahrt nennt das Adam Pawloff, Klima-Sprecher bei Greenpeace, vor dem Hintergrund eines anhängigen EU-Vertragsverletzungsverfahren wegen zu hoher Stickoxidbelastungen gegen Österreich und dem Verfehlen der Klimaziele.
Eine Geisterfahrt, die laut Anfragebeantwortung des Verkehrsministeriums 311.000 Euro kosten wird. Zum Vergleich: Für Radworkshops an Schulen wendet das Verkehrsministerium heuer 88.320 Euro auf.

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Anpassungen nötig

Grund für diese unlogische Strafverteilung ist unter anderem auch der österreichische Strafenkatalog, der nicht – wie etwa in Deutschland - nach Fahrzeugtyp unterscheidet. Dadurch sind die Strafen für alle Verkehrsteilnehmer gleich, das geringere Risikopotenzial des Fahrrades wird nicht berücksichtigt. 
Auch die in der StVO verankerten Regelungen - wie etwa die 10 km/h Regel -  sind nicht zeitgemäß und in der Praxis nicht gefahrenfrei umsetzbar. Es gilt, die StVO zu überarbeiten und zu erneuern, ebenso wie die Infrastruktur zeitgemäß zu gestalten. Eine sichere Infrastruktur bringt Vorteile für alle und weniger Regelbrüche. 

Auch Radio Ö1 berichtete Ende des Jahres darüber und fragte bei der Radlobby nach. Hier nachzuhören:

Vom Wesentliche abgelenkt 

In diese Thematiken einzutauchen und sich über die Sinnhaftigkeit den Kopf zu zerbrechen, das Gefahrenpotenzial zwischen Fahrrädern und Autos zu vergleichen oder gar die Frage zu formulieren, wie die oben erwähnten Aktionen sich mit dem Bekenntnis der österreichischen Bundesregierung zur Förderung des Radverkehrs vertragen, ist nicht zielführend. Es geht hier nämlich offenbar nicht in erster Linie darum, Maßnahmen zu setzen, die verkehrspolitisch Sinn ergeben, sondern darum, Schauspiele zu inszenieren, die von der eigenen Klientel mit Wohlwollen aufgenommen werden und suggerieren, hier geschehe etwas. 
Mit Nebelgranaten wird von fragwürdigen Maßnahmen oder von der eigenen Untätigkeit abgelenkt. Ganz nebenbei erklärt man – unter dem Applaus einer opportunistischen Boulevard-Presse – ganze Gruppen von Personen oder Verkehrsteilnehmenden zu Sündenböcken. Ängste oder Ressentiments werden gestärkt, die Gesellschaft polarisiert. 
Die undankbare Aufgabe, die Symbolpolitik gegen die erklärten Feindbilder zu exekutieren, überträgt man der Polizei. 

Gemeinsam stark 

Wie aber sieht nun eine konstruktive und zielgerichtete Verkehrspolitik vor dem Hintergrund aktueller Herausforderungen aus? Die Rezepte kennt man inzwischen, und sie werden vielerorts erfolgreich praktiziert. Dass sie auch unter heimischen Entscheidungstragenden bekannt sind, zeigen die Ankündigungen und Erklärungen, wie sie gerne in offiziellen Papieren vorkommen – und leider dann selten umgesetzt werden.
So spricht die Endfassung der Klima- und Energiestrategie des Verkehrs- und des Nachhaltigkeitsministeriums von Juni 2018 vom Ziel, eine Erhöhung des Radanteils in Österreich von 7 auf 13 Prozent bis 2025 zu erreichen. Was zunächst gut klingt, krankt am Fehlen konkreter Maßnahmen: Wo werden konkrete Budgetmittel zur Errichtung entsprechender Infrastruktur vorgesehen? Wo konkrete legistische und administrative Maßnahmen zur Gewährleistung fahrradfreundlicher Verkehrsplanung vorgelegt? Wer betreibt die Entrümpelung und Anpassung von StVO und Fahrradverordnung?
Auch die Forderung nach der verbindlichen Nachrüstung von Abbiegeassistenten für Lastkraftwagen wird durch Verkehrsminister Norbert Hofer geschickt ignoriert und vertröstet.

Es wird die Aufgabe aller in der Verkehrspolitik aktiven Kräfte sein, die Nebel immer wieder aufs Neue zu lüften und vernünftige Lösungen einzufordern. In den eingangs geschilderten Fällen heißt es: nicht die Fassung verlieren, sich zusammenschließen und gemeinsam für eine sachorientierte Verkehrspolitik stark machen.

Am besten an Seiten der Radlobby oder als Mitglied, jedenfalls mit dem Tritt in die Pedale, um vorwärts zu kommen!