Radfahren in der Lobau hat eine lange Tradition, wurde jedoch durch Maßnahmen im Sommer 2023...
Zehnmal Radkummer: Die Hotspots des RadKummerKastens
Seit Ende letzten Jahres ist der neue RadKummerKasten der Radlobby Wien online. Unter www.radkummerkasten.at ist es seitdem nicht nur möglich, eigene Anliegen an die zuständigen Behörden und städtischen Einrichtungen heranzutragen. Userinnen und User sehen im RadKummerKasten auf einem Stadtplan nun auch, welche Problemstellen in Wien bereits von anderen Personen gemeldet wurden, und können vorhandene Einträge mit einem like („finde ich auch“) unterstützen oder kommentieren.
Die Möglichkeit, Beiträge zu liken – oder vermutlich treffender: zu haten – lässt zum einen Rückschlüsse zu, welche Verbesserungen den Wiener Alltagsradfahrenden besonders wichtig sind, und wo aus der Sicht der RadKummerKasten-Userinnen und -user dringender Verbesserungsbedarf besteht.
Darüber hinaus erstaunt aber auch die Menge der „hates“, die einzelne Beiträge bekommen: Dass sich innerhalb einiger Monate seit Inbetriebnahme des neuen RadKummerKastens bereits mehrere hundert Userinnen und User für die Umgestaltung einzelner Straßenabschnitte oder Ampelschaltungen aussprechen, beweist deutlich, dass die Forderung nach guten Straßen und Radwegen kein Nischenprogramm (mehr) ist.
Top Ten der RadKummerKasten-Einträge
Die Radlobby Wien erstellt jeden Monat eine Negativliste mit den zehn Kummerkasten-Einträgen, die im Vormonat von den meisten Userinnen und Usern unterstützt wurden.
Zu den ersten Top Ten bzw. Flop Ten, die Anfang Juni an die Mobilitätsagentur weitergeleitet wurden (die aber trotzdem noch durch Klicks auf „finde ich auch“ unterstützt werden können!), zählen einerseits Straßenabschnitte, die als sehr gefährlich wahrgenommen werden, andererseits aber auch einige Kreuzungen, die auf die Erfordernisse des motorisierten Individualverkehrs hin optimiert wurden, und die das Radfahren in der Stadt unattraktiv machen. Diese zehn Anliegen liegen zur Bearbeitung bei der Mobilitätsagentur, wir warten gespannt auf das Ergebnis:
1. MZS Nußdorfer Straße zwischen Währinger und Alserbachstraße
2. Uraniakreuzung
3. Linksabbiegen von der Nußdorfer in die Währinger Straße
4. Ampel Lerchenfelder Gürtel/Thaliastaße
5. Ampel Hernalser Gürtel/Hernalser Hauptstraße
6. Bügel vor dem Hörsaalzentrum Sensengasse
7. Kreuzung Liechtensteinstraße/Alserbachstraße
8. Ampelschaltung/Aufstellflächen Felberstraße/Neubaugürtel
8. Zustand Straßenbelag Michaelerplatz
10. Gefahrenstelle Hernalser Gürtel (Fußgänger)
Großer Verbesserungsbedarf im 9. Bezirk
Auf Platz eins der ersten Negativliste findet sich mit beachtlichem Vorsprung der Mehrzweckstreifen in der Nußdorfer Straße im neunten Bezirk, im Abschnitt zwischen Währinger Straße und Alserbachstraße. Zwischen Längsparkern und dem durch Schwellen getrennten Gleiskörper der Straßenbahn befindet sich dort in beide Fahrtrichtungen ein sehr schmaler Kfz-Fahrstreifen neben einem Mehrzweckstreifen in Mindestbreite.
Diese Raumaufteilung führt dazu, dass Radfahrende in die sogenannte „dooring zone“ der parkenden Autos abgedrängt und häufig mit viel zu geringem Seitenabstand überholt werden. Wie Johannes R. bei der Meldung dieser Problemstelle feststellt– „selbst für sichere und geübte Radfahrende unzumutbar, geschweige denn für Kinder, Ungeübte etc.“ – ist diese Art Infrastruktur weder sicher noch angenehm zu benutzen. Dieser Ansicht sind auch 593 andere Radfahrende, die diesen Eintrag mit „finde ich auch“ unterstützen.
Mit dieser Gefahrenstelle hängt außerdem jener Eintrag eng zusammen, der den dritten Platz der Liste einnimmt: Das Linksabbiegen von der Nußdorfer in die Währinger Straße ist derzeit oft unangenehm, mitunter aber auch ein riskantes Unterfangen, will man sich, vom Mehrzweckstreifen am rechten Fahrbahnrand kommend, zwischen Autos auf die Linksabbiegespur einordnen. Als Abhilfe schlägt Christian H., der den Eintrag erstellt hat, einen eigenen Linksabbiegestreifen fürs Rad vor.
Thematisch wie räumlich nicht weit entfernt von dieser Stelle ist die Kreuzung zwischen Alserbachstraße und Liechtensteinstraße (Platz 7), an der mehrere Mehrzweckstreifen auf schnellen Kfz-Verkehr treffen und Fahrrad-Aufstellflächen an den Ampeln fehlen. Um diese Kreuzung für Radfahrende sicher zu machen, braucht es hier baulich getrennte Radwege und eine Temporeduktion, meint Einsender Martin K.
Winzige Aufstellflächen, rote Welle, ruckeliges Kopfsteinpflaster
Auf Platz zwei der ersten TopTen befindet sich ebenfalls eine Kreuzung: Vor der Urania, also an der Kreuzung Kai, Ring und Aspernbrücke ist die Verkehrsinsel, auf der Radfahrende in Richtung Leopoldstadt auf eine Ampel-Grünphase warten müssen, „völlig unterdimensioniert“ – oftmals reicht der Platz nicht aus. Verschärft wird die Problematik durch eine Ampelschaltung durch die lange Wartezeiten für nichtmotorisierte Verkehrsteilnehmer entstehen. Hier bedarf es einer anderen Platzaufteilung und einer Verbesserung der Ampelschaltung, meinen aktuell 122 Userinnen und User.
Ganz ähnlich die Problematik an der Ecke Neubaugürtel/Felberstraße: „Vollendete rote Welle an der Ampelserie, kombiniert mit vorbildlich sparsam dimensionierten Aufstellflächen“ beschreibt Jens K. sarkastisch die Situation am Gürtelradweg (Platz 8, derzeit 78 mal unterstützt). Bessere Ampelschaltungen sollen hier ein rascheres Vorankommen ermöglichen die gegenwärtige „rote Welle“ für Radfahrende verhindern.
Auf breite Ablehnung stößt schließlich der Straßenbelag des Michaelerplatzes in der Inneren Stadt: Das pittoreske Kopfsteinpflaster zwischen Michaelerkirche, Hofburg und antiken Ausgrabungen vermag wohl TouristInnen zu erfreuen. Die Userinnen und User, die den Kummerkasteneintrag unterstützen, dürften aber eher Jens K.’s Ansicht teilen: „Am Rad schlägt man sich die Zähne aus, zu Fuß bricht man sich die Knöchel. Ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ – oder jedenfalls keine gute Voraussetzung, sanfte Mobilität in der Inneren Stadt attraktiver zu machen, und mit 78 hates auf Platz acht.
Was passiert mit den Top Ten?
Die von der Radlobby Wien erstellte Negativliste wird der Mobilitätsagentur Wien monatlich übermittelt, die sie an die zuständigen Stellen in den Bezirken, der Stadt Wien und den Behörden weiterleitet. Sobald wir Rückmeldungen zu den Einträgen erhalten, werden diese im RadKummerKasten kommuniziert. Dabei ist jedoch leider etwas Geduld erforderlich: Gerade die Top Ten-Problemstellen sind vielfach nur durch umfassende Neugestaltungen des Straßenraums zu entschärfen – was nicht nur entsprechende Vorlaufzeiten für Planung und Bau, sondern vor allem den entsprechenden politischen Willen voraussetzt.
Wir bleiben dran – und sind überzeugt davon, dass sich Hartnäckigkeit lohnt: Die Radweglücke Getreidemarkt etwa, die vergangenen Winter immerhin noch 62 Userinnen und User bemängelten, wurde mittlerweile, auch durch den beharrlichen Einsatz der Radlobby Wien, geschlossen, und konnte somit aus den Radkummerkasten-Top Ten gestrichen werden.